MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 20. Februar 2025 Viele Wähler sind ratlos: Wie bedrohlich ist die Wirtschaftskrise?
Weitere Themen: XXL-Investition in Backfabrik / Chemieboss will russisches Gas / Medizintechnikfirma verlagert / Otto baut Stellen ab / Neue Hotels in Halle
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vor der Bundestagswahl werde ich in der Familie, von Freunden, aber auch vom Kinderarzt gefragt, wie es nun „wirklich“ um die deutsche Wirtschaft bestellt ist? In vielen Medien wird von einer tiefgreifenden Krise gesprochen, doch sehr wenige spüren diese bisher. Die Zahl der Arbeitslosen ist noch immer gering. Und wer doch seinen Job verliert, findet in der Regel schnell einen neuen – vielleicht mit Lohnabschlägen.
Was sich anhand der Daten bereits jetzt sagen lässt, diese Wirtschaftskrise ist anders als die Finanzkrise 2009 oder die Corona-Krise 2020. Damals war der wirtschaftliche Einbruch durch ein externes Ereignis zwar zeitweise viel stärker, es erfolgte jedoch eine schnelle Erholung. Jetzt steuern wir auf das dritte Jahr Stagnation zu. Das ist ungewöhnlich. Das wird mit Blick auf die Langzeitreihe des BIP deutlich (siehe Grafik).
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Durch die Energiepreiskrise infolge des Ukraine-Krieges gab es auch aktuell einen externen Schock, doch von diesem erholt sich vor allem die deutsche Industrie bisher nicht. Warum? Laut den Produktionsdaten hat die Talfahrt bereits 2018 begonnen, die Energiepreiskrise war lediglich ein Brandbeschleuniger. Während weltweit die Industrieproduktion wieder steigt, geht sie in Deutschland zurück (siehe Grafik). Auch das ist für die Exportnation Deutschland höchst ungewöhnlich.
Die Ursachen sind in den einzelnen Branchen verschieden. Einige Beispiele: Der große Düngemittelhersteller SKW Piesteritz in Wittenberg ächzt beispielsweise unter den weiter hohen Erdgaspreisen in Deutschland. Eine von zwei Produktionsanlagen steht still.

Dem Autobauer Porsche bricht durch den E-Auto-Boom in China der Absatz weg. Bei den in Leipzig produzierten Erfolgsmodellen Panamera und Macan bricht auf einmal die Nachfrage ein.
Das Solar-Unternehmen Meyer Burger und viele andere kleinere Solarproduzenten haben ihre Werke geschlossen, weil sie im Preiswettbewerb mit großen chinesischen Konkurrenten hoffnungslos unterlegen sind.
Der Batteriespeicher-Hersteller Tesvolt setzt künftig vermehrt auf Batteriezellen aus China statt aus Südkorea. Unternehmenschef Daniel Hannemann bezeichnet die chinesische Technologie als preislich überlegen. Er sorgt sich aber auch darum, dass „die Chinesen in vielen Bereichen deutsche Geschäftsmodelle unterspülen“. Er nennt unter anderem E-Autos, Batterien, Solar und künftig wohl auch KI und Roboter.
Wer Jugendliche in seinem Haushalt hat, wird vielleicht schon bemerkt haben, dass diese inzwischen Hosen und T-Shirts für fünf Euro pro Stück bei chinesischen Modefirmen direkt im Internet ordern, statt in der Innenstadt die Teile bei H&M oder New Yorker für 15 Euro zu kaufen.
Die Liste ließe sich fortsetzen.
Droht der deutschen Wirtschaft nun ein struktureller Niedergang? Es gibt die Gefahr, doch die lässt sich durch eine kluge Wirtschaftspolitik abwenden. Ähnlich wie die USA muss auch die EU auf einen fairen Handel mit China drängen. Wenn chinesische Firmen Deutschland nur als Markt sehen, auf dem sie ihre Überkapazitäten absetzen können, werden es viele Branchen schwer haben. Positiv ist: Die meisten Mittelständler in Ost wie West werden sich weiter neue Märkte erschließen. In vielen Schwellenländern in Asien und Afrika steigt der Wohlstand. Weltweit wird der Kuchen größer statt kleiner. Es liegt am Ende auch an jeder Firma selbst, dort ein Stück abzubekommen.
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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne
Wichtige Wirtschaftsthemen der Woche aus Mitteldeutschland
Großbäckerei investiert 300 Millionen Euro
XXL-Investition in Halle: Das Unternehmen Schwarz Produktion investiert 300 Millionen Euro in die Erweiterung der Bonback-Großbäckerei. Mehr als 400 zusätzliche Arbeitsplätze sollen entstehen, kündigt Vorstandschef Jörg Aldenkott an.

Chemieboss will russisches Gas
Die deutsche Chemie steckt in der Krise, auch am Standort Leuna kämpfen Unternehmen mit hohen Energiepreisen. Nun fordert Standort-Chef Christof Günther eine brisante Lösung: die Rückkehr zu russischem Pipeline-Gas. (MZ)

Produktion verlagert
Das Thüringer Unternehmen Samix verlagert die Produktion an den Flughafen Leipzig/Halle. Es wird auch ein Geschäftsbereich der Medisca-Gruppe angesiedelt. Wie viele Jobs entstehen. (MZ)

Neue Hotels in Halle
An der Oper wird bereits gebaut. Am Riebeckplatz ist eine Nobelherberge geplant. Zwei weitere Häuser sollen noch dieses Jahr öffnen. Wie kommt es zum Hotelboom in Halle? (MZ)
Otto baut Stellen ab
Der Versandhändler Otto will 480 Kundenservice-Mitarbeiter entlassen und mehrere Callcenter schließen. In Magdeburg hat der Kundenservice seinen größten Standort mit 200 Mitarbeitern. (MZ)
Gigantischer „Wasserkocher“
An windigen Tagen gibt es in Ostdeutschland schnell zu viel Strom. Ein Problem für die Netze. Höchstspannungsnetzbetreiber 50Hertz und der Chemiestandort Leuna arbeiten nun gemeinsam an einer Lösung: „ein gigantischer Wasserkocher“. (MZ)
Mehr Wohnungsbaukredite
2023 wurde wegen Inflation und hoher Zinsen wenig gebaut. Nach dem Einbruch geht es nun wieder langsam bergauf. Die Ost-Sparkassen vergeben mehr Kredite. (MZ)
Riesiges Lebensmittellager
Der Logistikkonzern Transgourmet beliefert künftig rund 1.300 Gastronomiebetriebe von Mittelsachsen aus. Der frühere Standort in Dresden ist aufgegeben worden. (SZ)
Algen als Rohstoff
Um Algen als Alternative zu fossilen Rohstoffen einzusetzen, ist noch viel Arbeit notwendig. Einheimische Firmen sollen jetzt in einem Netzwerk von der Algenforschung in Sachsen-Anhalt profitieren. 1,7 Millionen Euro Förderung gibt es dafür. (MZ)
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Lohnangleichung in zehn Jahren
Wann steigen die Löhne in Ostdeutschland auf das Niveau des Westens? Ein Wirtschaftsforscher sieht eine Annäherung in den kommenden zehn Jahren. Aber in einem Punkt bleibt die Kluft groß. (MZ)
Dünger aus Schkopau
Phosphor ist für Düngemittel ein wichtiger Rohstoff. Die EU schätzt ihn als kritischen Rohstoff ein, weil nur wenige Länder weltweit über Vorkommen verfügen. Die Anlage im Chemiepark in Schkopau soll helfen. (MZ)

Thüringer Stahlwerk stoppt US-Exporte
Aufgrund der neuen Zollpolitik von US-Präsident Trump hat das Stahlwerk Unterwellenborn seine Exporte in die USA gestoppt. Dem Unternehmen brechen damit rund sechs Prozent der Umsätze weg. (MDR)
Leiharbeiter bangen um Jobs bei Porsche
Das von Porsche angekündigte Stellenabbauprogramm betrifft aktuell nur die Werke im Stuttgarter Raum. Aber auch in Leipzig machen sich die Beschäftigten große Sorgen. Vor allem Leiharbeiter bangen um Jobs. (LVZ)