MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 7. November 2024 Trump-Sieg und Ampel-Aus: Die Probleme werden nicht angegangen
Weiter Themen: Sorge vor Handelskrieg / Große Immobilienfirma pleite / Dow prüft Standort / Aus für Zigarettenfabrik / Strompreis sinkt / Röstfein behauptet sich
es gibt Tage, da überschlagen sich die politischen Ereignisse und führen zu tiefgreifenden Veränderungen. So ein Tag ist vermutlich der 6. November gewesen, an dem erst Donald Trump die US-Wahl gewinnt und am Abend die Bundesregierung am Ende ist. Beide Ereignisse sind unabhängig voreinander, haben aber miteinander zu tun.
Am Donnerstagabend trat - zumindest zu diesem Zeitpunkt überraschend - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor die Presse und verkündete die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP). In seiner Erklärung wurde er sehr persönlich und warf Lindner „Egoismus“ vor und sich vor der Verantwortung in die „Büsche zu schlagen“. Er zeichnete das Bild eines Mannes, dem es nur um sich und seine Partei geht, nicht aber um Deutschland.
Linder holte in seiner Stellungnahme ebenfalls die Boxhandschuhe raus und warf dem Kanzler vor, „matt und unambitioniert“ zu sein. Er habe nicht „die Kraft für einen notwendigen Aufbruch“. Anlass für das Aus war der Haushalt 2025. Scholz wollte aufgrund des Ukraine-Krieges erneut eine Notlage erklären, um neue Schulden aufzunehmen. Lindner hält das für verfassungswidrig und pocht auf die Einhaltung der Schuldengrenze. Ob es nun eine Minderheitsregierung geben wird und im März 2025 Neuwahlen oder alles viel schneller geht, werden die kommenden Stunden und Tage entscheiden.
Im Kern ist diese Bundesregierung jedoch gescheitert, weil sie keine Mittel findet, eine sich vertiefende ökonomische Krise in Deutschland zu bewältigen. Durch deutlich gestiegene Energiepreise infolge des Ukraine-Krieges, starke chinesische Wettbewerber in den deutschen Industriedomänen Automobil- und Maschinenbau und durch eine sich ökonomisch abschottende USA wächst die deutsche Wirtschaft nicht mehr. Doch all die Wünsche der Ampel-Parteien wie Steuersenkungen (FDP), Sozialausbau (SPD) und ökologische Transformation (Grüne) sind nur mit kräftig sprudelnden Einnahmen zu realisieren.
Wirtschaftsvertreter wie Thomas Brockmeier, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, fordern dagegen seit Jahren die Hauptprobleme anzugehen: hohe Energiepreise, stark steigende Lohnlohnkosten (auch durch steigende Sozialausgaben) und überbordende Bürokratie. Vor allem SPD und Grüne haben lange geleugnet, dass es eine strukturelle Krise überhaupt gibt. Die zuletzt präsentierten Lösungen reichen bei weitem nicht aus.
Durch die Wahl Trumps zum neuen US-Präsidenten dürfte sich die ökonomische Lage in Deutschland verschärfen. Kommen Zölle von zehn oder 20 Prozent auf alle europäischen Waren, dann trifft das die deutsche Exportindustrie mit voller Wucht. Ob die CDU als Regierungspartei die Kraft hat, Veränderungen herbeizuführen?
Es wird häufig unterschätzt, worum es geht: In Deutschland gibt es mehr Staatsbedienstete als Selbstständige. Bürokratieabbau hieße Personalabbau im öffentlichen Dienst. Niedrigere Energiepreise werden absehbar ohne russisches Gas nicht möglich sein? Würde jemand die Pipelines reparieren? Würde die CDU das Verbrenner-Aus 2035 in der EU aufkündigen? Die Parteien der Mitte beschäftigen sich mit diesen Fragen nicht, das überlassen sie AfD und BSW. Auch deswegen haben die Populisten Zulauf.
Die Entwicklung in den USA sollte CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP eine Warnung sein. Auch die Amerikaner dachten lange, wirtschaftliche Probleme mit Gelddrucken bewältigen zu können. Das war ein Irrtum. Das führt zu einer Radikalisierung in der Politik – und ermöglichte erst Trump.
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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne
Wichtige Wirtschaftsthemen der Woche aus Mitteldeutschland
Sorge vor Handelskrieg
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