MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 23. Januar 2025 Systemrelevant: Warum es ohne Windräder dunkel wird
Weitere Themen: Großer Klinik-Verbund insolvent, Bravobike siedelt sich an / Nix los in der Airport-Mall / Köche ausgezeichnet / Solarfirma sucht Käufer
Erst war es nur eine Drohung, doch wenige Stunden nach seiner Amtseinführung hat Donald Trump seine Ankündigung wahr gemacht: Per Dekret hat der neue US-Präsident den Bau neuer Windkraftanlagen in den USA vorerst gestoppt. In Deutschland macht die AfD im Wahlkampf gegen die Ökostromanlagen mobil. In ihrer Parteitagsrede in Riesa kündigte AfD-Chefin Alice Weidel an, ihre Partei wolle die Anlagen „niederreißen“. Wörtlich sprach sie von „Windmühlen der Schande“. Etwas später ruderte sie zurück und sprach von einem Missverständnis. Ihre Aussagen sollen sich nur auf einen zuvor in der Rede erwähnten Windpark in Hessen bezogen haben.
Beim Blick auf Sachsen-Anhalt wird auch schnell deutlich, dass es bei einem Abriss auch sehr schnell dunkel im Land werden könnte. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung betrug im Jahr 2022 etwa 60 Prozent. Weitere wichtige Energieträger waren Braunkohle mit einem Anteil von 20,6 Prozent sowie Erdgas mit einem Anteil von 13,3 Prozent. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Den größten Beitrag zur gesamten Stromerzeugung leisteten mehr als 2.800 Windenergieanlagen, die ein Drittel des in Sachsen-Anhalt erzeugten Stroms lieferten.
Im vergangenen Jahr wurden laut Marktstammdatenregister in Sachsen-Anhalt 46 neue Windräder errichtet – im Vorjahr waren es lediglich 17. Ein großer Teil der neuen Anlagen steht im Landkreis Stendal (20) und im Burgenlandkreis (10). Allerdings handelt es sich dabei meist um ein sogenanntes Repowering. Das heißt, alte Anlagen wurden durch neue, leistungsstärkere Windräder ersetzt. So hat Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr netto zwölf Windräder „verloren“ (siehe Grafik). Die Leistung stieg dennoch um 176,6 Megawatt. Zur Veranschaulichung: Die 46 neuen Windräder besitzen im Schnitt eine Leistung von 5,4 Megawatt, die 58 abgebauten Anlagen nur eine Leistung von im Schnitt 1,2 Megawatt.
Nach Angaben des Energieexperten Wolf-Peter Schill vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) liefern Windkraftanlagen inzwischen sehr günstig Strom. Die sogenannten Entstehungskosten liegen bei fünf bis acht Cent je Kilowattstunde. Bei einem neuen Braunkohlekraftwerk würde der Strom 15 Cent je Kilowattstunde kosten. Das liegt auch an steigenden CO₂-Preisen. Allerdings: Alte, abgeschriebene Kohlekraftwerke, die nicht für den CO₂-Ausstoß zahlen müssten, können den Strom für drei bis vier Cent je Kilowattstunde produzieren. Das möchte Trump in den USA und die AfD in Deutschland.
Je größer die Bedeutung der Erneuerbaren Energien für die Stromversorgung wird, desto stärker wird jedoch die witterungsabhängige Einspeisung zum Problem. Es gibt immer öfter Zeiten, wo zu viel oder zu wenig Strom im Netz ist. Durch große Batteriespeicher und Wasserstoffanlagen lässt sich das lösen. Die neue Bundesregierung muss die Rahmenbedingungen so ausgestalten, dass die Speicheranlagen sich ohne Subventionen rechnen. Das ist machbar. Mit Ökostrom lässt sich, wenn die behördlichen Auflagen niedrig sind, durchaus kostengünstig Energie erzeugen.
Es gibt noch eine zweite, oft unterschätzte, Herausforderung. Gegen fast jeden neuen Windpark bilden sich Bürgerinitiativen. Die inzwischen 200 Meter hohen Anlagen sind ein massiver Eingriff in die Landschaft. Bei vielen Bürgern finden sie jedenfalls keine Akzeptanz. In diesem Bereich sind vor allem die Landesregierungen gefragt. Die Bürger in den ländlichen Regionen, bei denen die Anlagen vor der Tür stehen, müssen finanziell stärker profitieren. Die von Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD) eingeführte Akzeptanzabgabe für die Kommunen ist ein wichtiger Schritt. Zugespitzt gesagt: Das Windrad muss auch die Kita mitbezahlen. Zudem müssen Windmühlen direkt Strom an die heimische Industrie liefern, um damit klimaschonende Produkte herzustellen. So entstehen Jobs in Sachsen-Anhalt - und nicht in den USA.
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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne
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