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MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 9. November 2023 Hohe Strompreise: So groß sind die Unterschiede zu den USA und China

Weitere Themen: Vorzeige-Hotel in Sachsen-Anhalt insolvent / Gasversorgung für Winter gesichert / Arbeitslose schwänzen / Neues Gewerbegebiet in Leipzig

Aktualisiert: 09.11.2023, 11:50
MZ-Wirtschaftsnewsletter
MZ-Wirtschaftsnewsletter Foto: Andreas Stedtler

am Rande von Theißen, einem Ortsteil von Zeitz, hat das Bergbau-Unternehmen Mibrag seinen Sitz. Die Verwaltung befindet sich in einem eher schmucklosen DDR-Plattenbau, der Konferenzraum ist jedoch jetzt mit Dielen, Holztisch und grünen Sesseln ausgestattet. Das war auch passend zum Thema: In der vergangenen Woche führte ich ein Gespräch mit Mibrag-Geschäftsführer Armin Eichholz zur Zukunft des Unternehmens. Es ging dabei vor allem um neue Solar- und Windprojekte sowie industrielle Ansiedlungen. Mehr dazu gibt es in einer MZ-Wirtschaftsbeilage in den kommenden Wochen.

Natürlich waren auch die aktuellen Strompreise ein Thema. Nun könnte man annehmen, dass wegen der gestiegenen Stromkosten die mitteldeutschen Kohlekraftwerke in Lippendorf (Sachsen) und Schkopau (Sachsen-Anhalt) zu wahren Gelddruckmaschinen geworden sind. Doch dem ist offenbar nicht so: Kürzere Einsatzzeiten und vor allem hohe CO2-Preise schmälern laut Eichholz die Renditen gewaltig.

Ein Blick auf die Zusammensetzung des Strompreises (hier eine Grafik für private Haushalte) macht deutlich, dass die Kosten der Stromerzeugung deutlich gestiegen sind. Das liegt vor allem an hohen Gaspreisen, die am Ende den Marktpreis entscheidend beeinflussen. Betreiber von Windkraftanlagen, deren Kosten nicht gestiegen sind, verdienen sich aktuell eine goldene Nase.

Zusammensetzung des Strompreises
Zusammensetzung des Strompreises
Grafik: Strom-Repprt

Diese Entwicklung führt jedoch zu Verwerfungen vor allem in der energieintensiven Industrie. Denn die Unternehmen müssen inzwischen deutlich mehr für Strom zahlen als internationale Konkurrenten. Sehr anschaulich wird das an einer Übersicht zu den Beschaffungskosten für Strom, die das Beratungsunternehmen Afry erstellt hat. Zahlten deutsche Industriefirmen im Jahr 2019 noch etwa 40 Euro je Megawattstunde (4 Cent je Kilowattstunde) für Strom, sind es aktuell zwischen zehn und elf Cent. Wie die Grafik zeigt, sind die Stromkosten bei den Wettbewerbern aus den USA, China und Frankreich dagegen fast gleichgeblieben.

Beschaffungskosten für große Industriekunden
Beschaffungskosten für große Industriekunden
Quelle Afry

Es wundert daher nicht, dass die Produktion in der deutschen Chemie-Industrie um mehr als zehn Prozent eingebrochen ist. Doch es verwundert, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) sich bei einem befristeten Industriestrompreis - wie ihn die Bundesländer und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fordern - weiter querstellt.

Passiert in den kommenden Monaten nichts, dann wird die energieintensive Produktion aus Deutschland teilweise verschwinden. Dass das nicht nur eine Drohung ist, zeigt ein Blick auf die Wirtschaftsentwicklung. Im ersten Halbjahr 2023 ging das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 0,3 Prozent zurück. In Sachsen-Anhalt waren es jedoch 3,2 Prozent und in Rheinland-Pfalz sogar 5,4 Prozent. In Rheinland-Pfalz hat der Chemie-Konzern BASF an seinem Stammsitz in Ludwigshafen die Produktion zurückgefahren, in Sachsen-Anhalt die Firmen im Mitteldeutschen Chemiedreieck.

Wenn Sie sich jetzt fragen, warum Brandenburg mit einem Wachstum von sechs Prozent den Turbo eingelegt hat, dann gibt es dafür auch eine einfache Erklärung: Tesla. Der US-Autobauer fährt die Produktion in Grünheide bei Berlin hoch.

In den "Chemieländern" Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz schrumpft die Wirtschaft.
In den "Chemieländern" Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz schrumpft die Wirtschaft.
Grafik: Statistisches Landesamt Brandenburg

Die Zahlen zeigen, Deutschland steht wegen der hohen Energiekosten wirtschaftlich nicht am Abgrund. Viele Unternehmen sind in der Lage, sich anzupassen. Doch einige Industriebereiche können das nicht so schnell. Wie ich in der vergangenen Woche im Newsletter geschrieben habe, plant die Chemie in Mitteldeutschland hunderte Millionen in grüne Technologien zu investieren. Doch die Mittel dafür müssen jetzt erwirtschaftet werden. Die hohen Strompreise gefährden daher auch die Zukunftsinvestitionen.

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Bis nächste Woche, herzlich Steffen Höhne

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