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MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 12. September 2024 Einstürzende Altbauten: Lehren aus Carolabrücken-Unglück in Dresden

Weitere Themen: 20 riesige Batteriespeicher geplant / Ausfallgebühr beim Arzt / VW streicht Job-Garantie / Fit baut kräftig aus / 1.700 Arbeiter für Stillstand

12.09.2024, 09:00
Newsletter Brückenunglück
Newsletter Brückenunglück dpa/Stedtler

„eine Webcam der Dresdner Verkehrsbetriebe und des Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme ist auf die Carolabrücke gerichtet. Wie immer. Sie ist Teil der Verkehrsüberwachung der sächsischen Landeshauptstadt. In der Nacht zu Mittwoch, um 2 Uhr, 58 Minuten und sechs Sekunden, ist noch alles wie immer. Die Lichter der Straßenlaternen und die Reflexionen von Autoscheinwerfern sind zu erkennen. Dann das nächste Bild. Zeitstempel: 2 Uhr, 59 Minuten und fünf Sekunden. Das Unglück ist geschehen. Dort, wo eben noch eine der drei Fahrbahnen der Carolabrücke zu sehen war, klafft nun ein Loch. Das Bauwerk ist auf 100 Metern Länge eingestürzt. Wie Zeugen später berichten, fiel der Abschnitt der Elbquerung mit einem ohrenbetäubenden Knall in sich zusammen.“

So beginnt mein Kollege Julius Lukas seinen Text über den Einsturz der Elbbrücke, der so eigentlich nie hätte passieren dürfen. Der Brückenexperte Steffen Marx bezeichnete den Zusammenbruch als Desaster. „Es ist insbesondere auch deswegen ein Desaster, weil es niemand vorhergesagt hat“, so der Professor am Institut für Massivbau an der TU Dresden. Auch der Vorsitzende der Vereinigung der Prüfingenieure Sachsen-Anhalt, Jörg-Peter Rewinkel, betonte: „Gravierende Schäden sollten eigentlich bei den regelmäßigen Prüfungen auffallen“. Sind sie aber nicht.

Vor der historischen Kulisse der Dresdner Altstadt sind Teile der Carolabrücke über der Elbe eingestürzt.
Vor der historischen Kulisse der Dresdner Altstadt sind Teile der Carolabrücke über der Elbe eingestürzt.
Foto: IMAGO/jmfoto

Die genauen Gründe, warum die sanierungsbedürftige Elbbrücke zusammensackte, sind noch nicht geklärt. Offenbar ist die Ursache Korrosion. Laut Experten verfügen solche Spannbetonbrücken aus der DDR über wenig Redundanzen, so dass sie bei Schäden leichter einstürzen können.

Damit es zu solchen Katastrophen nicht kommt, werden die Brücken in Deutschland alle drei Jahre kontrolliert. In Dresden muss nun geklärt werden, warum die Instabilität nicht schon längst erkannt wurde? Und sind auch andere Brücken dieses Typs gefährdet?

Teile der Straßenbahnschienen auf der Carolabrücke in Dresden sind durch den Einsturz verbogen worden.
Teile der Straßenbahnschienen auf der Carolabrücke in Dresden sind durch den Einsturz verbogen worden.
Foto: Feuerwehr Dresden

Die Aufarbeitung darf dabei jedoch nicht stehen bleiben. Zu Jahresanfang bemängelte der Bundesrechnungshof den Sanierungsstau bei deutschen Autobahnen. Jedes Jahr müssten mehr als 430 Bauwerke saniert werden. Im Jahr 2023 waren es aber nur 232. Politisch wird dann schnell vom Sanierungsstau gesprochen. Im Einzelfall könnte es sich um eine Gefährdung der Bevölkerung handeln.

In Sachsen-Anhalt sind laut Infrastrukturministerium 90 Prozent der Brücken in einem guten Zustand – mehr als in anderen Bundesländern. Schön. Aber was ist mit den anderen zehn Prozent? Ist da auch eine Carolabrücke dabei?

Die Infrastruktur ist unterfinanziert. Das besagen Gutachten seit Jahren. Doch das liegt nicht am fehlenden Geld. Die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden wachsen stetig. Das Grundproblem ist, dass anteilig immer mehr Mittel in die Renten- und Sozialsysteme fließen und weniger investiert wird.

Sanierungsbedürftig heißt natürlich nicht, dass die Brücken einsturzgefährdet sind. Doch je mehr baufällige Bauwerke es gibt, desto größer ist zumindest die Gefahr, dass Infrastruktur langfristig gesperrt werden muss und sich im Extremfall Unglücke wie in Dresden wiederholen.

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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne

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