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ZDF-Ostalgieshow ZDF-Ostalgieshow: Schamlose Verniedlichung oder Erinnerung an das Gute?

18.08.2003, 20:01

Halle/MZ. - Erich Loest (77), Schriftsteller aus Leipzig und zu DDR-Zeiten aus politischen Gründen sieben Jahre in Bautzen inhaftiert:
Ich fand die ganze Sendung in ihrer schamlosen Verniedlichung einfach widerwärtig. Bezeichnend ist, dass eine solche Show aus Mainz - und eben nicht aus Leipzig, Halle oder Dresden kommt. Was sich die Verantwortlichen beim ZDF dabei wohl gedacht haben?

Lydia Poteracki (59), Köthen, ehemals Krankenschwester, jetzt arbeitslos:
Mir hat die Sendung gefallen. Sie hat ein Stück unserer gelebten Vergangenheit gezeigt und Menschen ins Gedächtnis gerufen, die Besonderes geleistet haben wie Gaby Seyfert oder Waldemar Czierpinski. Die Zeit, an die erinnert wurde, ist auch ein Stück meiner Identität.

Axel Kählert (53), Vorsitzender des Bürgervereins Halle für Olympia:
Mir hat die Ost-Show viel Spaß gemacht. Man hatte nie das Gefühl für irgendwelche Einschaltquoten lächerlich gemacht zu werden. Besonders berührt hat mich natürlich der große Sportblock, aber auch das Sandmännchen war gut für Kindheitserinnerungen.

Babette Bremer (32), gebürtige Zahnaerin, jetzt im Saarland zu Hause:
Die Sendung war nicht verkehrt, nur ein wenig zu rasant. Die Schauspielerin Ellen Tietdke haben die Moderatoren gar nicht mehr zu Wort kommen lassen. Das war ungezogen. Dass an Ost-Produkte erinnert und auch die EVP-Preise eingeblendet wurden, fand ich aber prima.

Helga Ezold-Boltz, Eisleben, Soziologin, jetzt Rentnerin:
Mir ist aufgefallen, dass mit Ausnahme der Hallorenkugeln, die über den grünen Klee gelobt wurden, fast alle Ostprodukte negativ belegt worden sind. Das hat mich gestört. Ich fand auch, dass die Erfolge der Sportler zu kurz gekommen sind.

Karl-Heinz Daehre (59/CDU), Sachsen-Anhalts Minister für Bau und Verkehr:
Aus heutiger Sicht bietet die DDR sicher so manche Gelegenheit zur augenzwinkernden Rückschau. Daraus eine fröhlich-bunte Unterhaltungsshow zu machen, halte ich allerdings nicht für die beste Idee. Zum Leben in der DDR gehörten auch Mauer und Stacheldraht.

Sabine Hahn (42), Verwaltungsangestellte in Sangerhausen:
Manches war amüsant, man hat in der Sendung vieles wieder erkannt. Allerdings finde ich nicht gut, dass jetzt fast jeder Sender so eine Ostalgie-Show ins Programm nimmt. Ein wenig hat man da doch den Eindruck, dass man sich auf Kosten der DDR-Leute lustig machen will.

Rainer Thiele (60), Eigentümer des Backmischungs-Herstellers Kathi in Halle:
Ich erinnere mich gern an das Gute, das es in der DDR gab. Aber ich habe auch das Schlechte nicht vergessen. Ich denke, das Thema eignet sich nicht für eine Unterhaltungsshow. Wenn ich nicht selbst in der DDR gelebt hätte, würde ich mich fragen, warum die Menschen 1989 auf die Straße gegangen sind.