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www.mycare.de www.mycare.de: Deutschlands größte Apotheke ist ein stiller Ort

Von Steffen Könau 30.06.2004, 20:30

Wittenberg/MZ. - Per Internet verkaufen drei Brüder in Wittenberg Arzneimittel. Sie sind damit so erfolgreich, dass sie inzwischen zu den Marktführern gehören.

Das Sportstudio nebenan hat mehr Besucher. Der Baumarkt gegenüber die größere Verkaufsfläche. Und selbst verglichen mit der Resterampe um die Ecke wirkt der Laden im ersten Stock des Backsteinbaus in der Wittenberger Stadtmitte ein bisschen sehr leer. Nur ein paar Menschen in weißen Kitteln huschen zwischen raumhohen Regalen umher. Gedämpfte Stimmen, klingelnde Telefone: Deutschlands größte Apotheke ist ein stiller Ort ohne Türgong, Hustensaftduft und Registrierkassenrattern.

Der Chef aber ist äußerst zufrieden. "Zehntausend Besucher am Tag", schmunzelt Christian Buse, ein schmaler 30-Jähriger mit wachen Augen, "und neunzig Prozent davon aus den alten Bundesländern." Sechs Monate nach dem scharfen Start hat mycare.de, der Internet-Arm der Wittenberger Robert-Koch-Apotheke, 210 000 Medikamente in der Datenbank, 30 000 Stammkunden, 25 Mitarbeiter und einen Vertrag mit dem viel frequentierten Einkaufsportal karstadt.de in der Tasche. "Wer in Deutschland Arzneimittel über das Internet verkaufen will", sagt Buse, "muss erst einmal an uns vorbei."

Ein ostdeutsches Erfolgsmärchen, das vor drei Jahren eher zufällig begann. Christian Buse, der in Halle Pharmazie studiert hat, und seine Brüder Matthias (28) und Torsten (32) debattierten wieder einmal, wie die seit 1990 von Mutter Christine und Vater Peter betriebene Apotheke auf Dauer überleben könne. "Der Markt schrumpft ja", erklärt Christian Buse, "die Leute ziehen weg, das Geld fehlt." Der internetbegeisterte Matthias hatte dann die Idee: Eine Webseite, auf der Heil- und Hilfsmittel zu haben sind. "Denn wenn der Markt nicht zu uns kommt, dann müssen wir eben zum Markt gehen."

Mit Medikamenten zu handeln, ist damals noch verboten. "Also haben wir erstmal Teststreifen für Diabetiker angeboten", erinnert sich Christian Buse. Er, der bis dahin lieber mit den Freunden vom SV Abtsdorf Fußball spielt als im Internet zu surfen, ist anfangs skeptisch, ob in dem 100-Millionen- Markt noch Platz ist für Neulinge. Dann allerdings kommt der Tag, an dem Kunden über die Internetseite 100 Blutzucker-Messgeräte kaufen. "So viel setzt eine gewöhnliche Apotheke vielleicht im Jahr ab."

Seitdem hat Christian Buse "fest daran geglaubt, dass das Zukunft hat". Als die New Economy ringsum zusammenbricht, steckt Familie Buse ihr Gespartes in Software. Als überall behauptet wird, im Online-Geschäft werde sich nie auch nur eine Mark verdienen lassen, bestellen sie neue Rechner und hocken täglich elf, zwölf Stunden in Beratungen mit Webdesignern, Suchmaschinenspezialisten und Grafikern.

Schritt für Schritt sei das gegangen, erinnert sich Christian Buse, "wir mussten nie zur Bank oder um Fördermittel bitten." Im Unterschied zur Konkurrenz, die in Holland sitzt, im Wochenrhythmus Schlagzeilen, aber auch nach Jahren noch keinen Cent Gewinn macht, verdient mycare.de von Anfang an Geld. "Also konnten wir das Geschäft langsam aufbauen." Lange ist allerdings nicht klar, ob der Internet-Handel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten in Deutschland je erlaubt werden wird. Politiker streiten, Lobbygruppen kämpfen. "Obwohl eine Internet-Apotheke kein Ersatz für eine richtige Apotheke ist, sondern eine vernünftige Ergänzung."

In dem alten Backsteinbau, der früher eine Eisenfabrik beherbergte und nach langem Suchen als neues Domizil für mycare.de auserkoren wurde, bereiten die Buse-Brüder währenddessen die Zukunft vor. "Dass es noch dauern kann, bis es erlaubt wird, war klar", sagt Christian Buse, der seine Freundin Yvonne in diesen Monaten häufig versetzen muss. "Aber dass es am Ende erlaubt werden wird, auch."

Als es Anfang des Jahres soweit ist, sind die Wittenberger unter den ersten, die eine Genehmigung für den Versandhandel mit Medikamenten erhalten. Seitdem hat mycare.de den Abstand zu den Wettbewerbern ausgebaut. Übersichtliche Seiten, einfaches Bestellen, schnelle Lieferung und Preise bis zu 30 Prozent unter denen im stationären Handel - Testberichte finden lobende Worte für die Versand-Pioniere. Und auch wenn der Wettbewerb härter wird - bei Familie Buse gilt Bangemachen nicht. "Der Osten kann ganz vorn mitspielen", sagt Christian Buse, "wenn er nur seine Chancen erkennt und nutzt."

www.mycare.de

www.karstadt.de