«Wörlitzer Hof» in Wörlitz «Wörlitzer Hof» in Wörlitz: Winter im Landhaus
Halle (Saale)/MZ. - Es passte einfach an diesem Wintertag. Knackige Kälte, glitzernder Schnee, ein langer, einsamer Spaziergang und schließlich eine einladende Einkehrmöglichkeit. Wörlitz im Winter - da hat der Besucher wochentags die große Auswahl, wenn er einen Platz sucht in den Restaurants. Auch in das Restaurant des Hotels "Landhaus Wörlitzer Hof" - unmittelbar am Markt in Sichtweite des berühmten Parks gelegen - verirrten sich an jenem Wochentag nur wenige Gäste. Gemütlich prasselten ein paar Holzscheite im offenen Kamin, der sich im hellen Atrium befindet. Aber auch im Gastraum sitzt es sich gut - mit Blick auf Markt und St. Petri Kirche. Schnell war die Bedienung zur Stelle und offerierte die komplette Karte. Das ist in einem solch großen Haus selbstverständlich, obwohl es eigentlich für ein Mittagessen längst zu spät und für das Abendbrot noch zu zeitig war. Aber, wie gesagt, alles kein Problem. Die Karte verheißt kulinarische Winterimpressionen und ist ganz auf die kalte Jahreszeit ausgerichtet. Da finden sich Deftiges und Wild vor allem - wie es sich für die versprochene Landhausküche gehört.
Wir entscheiden uns für ein legiertes Petersilienwurzelsüppchen mit geräucherter Entenbrust zu 4,90 Euro, auch eine doppelte Wildkraftbrühe mit Pfannkuchenstreifchen und Klößchen zu 5,90 Euro wäre zu haben gewesen. Ein Wörlitzer Bier dazu - das kannten wir bisher nicht. Eine wohlschmeckende Wahl. Das Bier leicht, aber gut, wie die kundige Begleitung einschätzt, und das Wurzelsüppchen genau das Richtige, um die Kälte aus dem Innern zu vertreiben. Kräftiger Petersiliengeschmack, viel Wurzel, wenig Sahne - das gefällt. Unergründlich bleibt allein, warum die Küche ein Petersilienwurzelsüppchen mit einem Basilikumblättchen dekoriert, zumal später das Hauptgericht von glatter frischer Petersilie begleitet wird. Doch gemundet hat es sehr, das kleine, feine Süppchen.
Grünkohl "satt"
Die bereits erwähnten kulinarischen Winterimpressionen setzen auf Grünkohl und Wild. Beim Wörlitzer Grünkohltopf wird dem Hungrigen das Gemüse satt versprochen mit Klößen oder Kartoffeln und reichlich Fleisch: eine Viertel Ente, eine Scheibe Kassler, ein Wörlitzer Hof Knacker, alles zusammen zu 15,90 Euro. Zum Servieren kommt ein kleines Stövchen auf den Tisch, darauf das Fleisch, damit es schön heiß bleibt. Die Grünkohlportion, kräftig gewürzt, ist übersichtlich, doch der freundliche Service kredenzt sie mit dem Hinweis, dass "Grünkohl satt", wie es auf der Karte steht, ernst gemeint ist. Sooft der Gast darum bittet, so oft wird Grünkohl nachgereicht, darauf kann er sich verlassen, heißt es. Wem der Sinn nicht nach Hirsch und Reh oder Wildschwein steht, der hat vor allem die Wahl zwischen Gans und Ente.
Regionaltypisches verheißt die Karte ebenfalls, geboten wird Mosigkauer Kräuter-Meerrettichfleisch auf frischem Blattspinat (11,90 Euro) und - ein Rinderbraten. Ob der wirklich eine regionale Spezialität ist? Insgesamt gibt es eine gute Auswahl, eine wirklich originelle Landhausküche aber leider nicht. Dazu sind die Offerten ein bisschen zu bodenständig und gutbürgerlich. Ein Ausreißer ist da lediglich die vegetarische Empfehlung, die Zucchinibrisoletten mit Schalotten-Buttersoße lautet. Dazu gibt es frische Champignons, marinierte Tomatenfilets und Buttergnocchi, das Ganze zu moderaten 9,90 Euro. Allerdings ist das Hotel bekannt dafür, mit Sonderaktionen Abwechslung auf die Speisekarte zu bringen. Da locken beispielsweise an Sonntagen Schlemmerbüfetts um die Gunst der Gäste und dabei darf es durchaus auch exotisch zugehen. Montezumas kulinarisches Erbe lässt am 4. März die mexikanische Küche kennen lernen, was Dalmatien zu bieten hat, kann man wenig später erfahren und gar "Kulinarische Verheißung aus dem Paradies" wird versprochen, wenn Tahiti für die Rezepte am 1. April Pate steht - und das ist kein Scherz. Regelmäßig werden zudem an verschiedenen Wochenenden im Jahr Fischspezialitäten angeboten.
Doch zurück zu unserem kalten Wintertag. An dem scheint eine Gänsebrust mit hausgemachtem Rotkohl und Klößen (17,90 Euro) nicht zu üppig und wird - das sei vorweggenommen - auch ohne Fehl und Tadel serviert. Butterweiches Fleisch, alles gut gewürzt, die Klöße locker, allerdings leider nicht selbst gemacht. Überraschungen gibt es da keine, die liegt an diesem Tag im Wein. Die Weinkarte ist nicht wirklich groß und bei den Angeboten aus der Region vermissen wir einen offenen Rotwein völlig, ebenso Offerten der Nachbarn aus Sachsen. Bei den Flaschenweinen finden sich dann die Thürkinds, Frölich-Hakes und Herzers aus dem Saale-Unstrut-Gebiet, das versöhnt. Allein: eine Flasche ist zuviel an diesem Tag und so entscheiden wir uns für einen offen angebotenen Chianti.
Und der - das ist die Überraschung - ist einfach perfekt. Vor allem weil er nicht wie leider so oft fast lauwarm an den Tisch kommt, sondern deutlich einige Grade kühler ist. Auf Nachfrage versichert die Serviererin, dass das nicht etwa Zufall ist, sondern dass beim Weißen wie beim Roten auf perfekte Trinktemperatur geachtet wird und er deshalb in einem entsprechenden Kühlschrank lagert. Soviel Sorgfalt ist unbedingt zu loben, das gibt es längst nicht überall. Das Holz knackt im Kamin, es ist warm und gemütlich, die servierten Speisen waren gut, der Wein wie gesagt besonders - das möchte man krönen mit einem Dessert, doch das erweist sich als nicht so einfach. Zahlreiche Eisspezialitäten hält die Karte bereit - und das war es dann auch schon. Ja gewiss, da stehen auch warmer Apfelstrudel und frische Waffeln mit heißen Kirschen (Eis gibt es zu beidem übrigens dennoch), aber das sind uns dann doch zu ausgetretene lukullische Pfade. Da hätten wir uns mehr Sinn für die süßen Kleinigkeiten gewünscht.
Warten auf Sommer
Es bleibt deshalb bei einem Kaffee und ein paar sehnsuchtsvollen Blicken nach draußen. Dort nämlich lässt es sich im Sommer wunderbar auf Wörlitz' Marktplatz sitzen, ein Außensitz, den das Hotel ebenfalls bewirtschaftet und der unter hohen Schatten spendenden Bäumen wirklich ein angenehmer Platz ist. Denn mit Kälte, Eis und Schnee ist es jetzt wirklich genug, finden wir, da können das schönste Kaminfeuer und die gemütlichste Gaststube nichts dagegen ausrichten. Und der Rote schmeckt an einem lauen Sommerabend womöglich sogar noch besser.
Adresse: 06785 Oranienbaum-Wörlitz, Wörlitzer Markt 96
Telefon: 034905 / 4110
geöffnet: täglich, Mittagstisch ab 11.30 Uhr
Vorspeisen um 5 Euro, Hauptgerichte um 15 Euro, offene Weine um 5 Euro