Kommentar zu Strompreisen Politik mit der Gießkanne: Die Industrie braucht mehr Entlastung
Der Netzausbau macht den Strom teuer. Weder Bund noch Land haben eine Strategie dagegen. Es fehlt der politische Mut.
Halle/MZ. - Jahrelang mahnte die Landesregierung in Sachsen-Anhalt einen fairen Ausgleich der sogenannten Netzentgelte in Deutschland an. Hierzulande wurden viele Windparks gebaut, die Kosten für die dafür notwendigen Stromleitungen mussten die Verbraucher vor Ort tragen. Die Bundesnetzagentur hat nun einen Ausgleichsmechanismus entwickelt, der die Kosten bundesweit umlegt. Doch die erhoffte Entlastung fällt in Sachsen-Anhalt dürftig aus. Anders als in Schleswig-Holstein und Brandenburg, wo noch mehr Windräder stehen, sinken die Netzentgelte hierzulande nur gering.
Und auch das ist nur eine Momentaufnahme. Denn für die Energiewende muss weiter kräftig investiert werden. Eine milliardenteure Stromtrasse quer durch Sachsen-Anhalt soll Windstrom nach Süddeutschland leiten. Experten sind sich einig: Die Netzentgelte werden die Stromkosten in den kommenden Jahren weiter nach oben treiben – wenn die Politik nicht gegensteuert.
Doch Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD) setzt nur auf eine leichte Kurskorrektur. So will er sich dafür einsetzen, dass die Mehrwertsteuer und die Stromsteuer abgesenkt werden. Das ist Politik mit der oft zitierten Gießkanne. Alle profitieren ein bisschen, aber keinem hilft es richtig. Willingmann bleibt hinter seinen eigenen Ansprüchen zurück. Denn vor wenigen Monaten wollte er noch einen Industriestrompreis, der große Produzenten entlastet. Davon ist nichts mehr zu hören.
Doch einen Befreiungsschlag braucht die Wirtschaft jetzt. Vor allem energieintensive Industrien müssen entlastet werden, damit sie international bestehen können. Die Politik muss dann freilich dem Handwerker und dem Rentner erklären, warum er nicht entlastet wird. Dazu fehlt inzwischen der politische Mut. Mit halbherzigen Lösungen wird das Energiepreisproblem, das die Industrie hart trifft, nicht bewältigt.
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