30-Milliarden-Projekt wird verschoben Magdeburgs Ex-OB Trümper zu Intel: „Heute bin ich nicht mehr optimistisch“
Der US-Konzern Intel steckt in einer Krise. Nun soll die Großinvestition in Magdeburg um zwei Jahre verschoben werden. Der frühere Rathauschef Lutz Trümper fürchtet noch Schlimmeres.
Magdeburg/MZ/DPA –Nach dem Verschieben der Magdeburger Chip-Fabrik von Intel hat Magdeburgs früherer Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) Zweifel, ob das Projekt überhaupt noch verwirklicht wird.
Intel-Aus in Magdeburg: Das sagt Ex-Oberbürgermeister Trümper
„Offiziell ist es um zwei Jahre verschoben. Das kann man glauben oder nicht “, sagte Trümper der MZ am Dienstag. „Stand heute bin ich nicht mehr optimistisch, dass Intel noch kommt. Es ist traurig, sehr traurig.“
Die Entscheidung des US-Konzerns habe sich bereits seit langem angedeutet, sagte Trümper. Als deutliches Signal der vergangenen Monate wertet er etwa das Verschieben der Ausschreibung zum Aushub des Ackerbodens. „Schon seit längerem dümpelt alles dahin“, sagte Trümper. „Aus wirtschaftlicher Sicht kann man das sogar verstehen, wenn man den Intel-Aktienkurs ansieht.“
Alle Vorarbeiten für Intel in Magdeburg auf Stopp?
Der Alt-OB erwartet, dass jetzt erst einmal alle vorbereitenden Arbeiten eingestellt werden. „Da geht es um die Energieversorgung, um das Abwasser – wer will denn dafür jetzt eigenes Geld in die Hand nehmen?“ Selbst wenn dafür es eines Tages den Willen geben sollte, werde es schwer sein, das einmal gestoppte Projekt wiederzubeleben.
2022 hatte die Stadtverwaltung den früheren Verwaltungschef Trümper als Berater für die Intel-Ansiedlung gewonnen. Man wolle dessen gute Kontakte nutzen, erklärte Oberbürgermeisterin Simone Boris damals. Trümper sagte, er selbst sei bereits seit längerem nicht mehr über Neues zu Intel informiert worden.
Am Montagabend hatte Intel-Chef Pat Gelsinger mitgeteilt, dass der kriselnde Chipkonzern Intel den Bau eines Werks in Magdeburg auf Eis legt. Das Projekt werde voraussichtlich um zwei Jahre verzögert, hieß es in einem Statement an die Beschäftigten. Intel kämpft mit Verlusten und hat ein Sparprogramm eingeleitet.
Intel-Ansiedlung in Magdeburg auf Eis: Bau von Chipfabriken verschoben
Gelsinger hatte den Bau von zwei Chipfabriken bereits im Frühjahr 2022 angekündigt. Der erste Spatenstich war für dieses Jahr angepeilt worden. Dabei sollten rund 3.000 Arbeitsplätze entstehen. Weitere 7.000 Jobs sollten Zulieferer schaffen.
Das dafür geschaffene Industriegebiet umfasst mehr als 1.000 Hektar. Die Intel-Investition wurde auf rund 30 Milliarden Euro beziffert. Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr staatliche Hilfen von 9,9 Milliarden Euro für die Ansiedlung in Aussicht gestellt.
Chip-Konzern Intel will in US-Markt investieren
In seinem Statement ging Gelsinger auf die Verschiebung in Magdeburg nur in einem Satz ein. Auch die Pläne in Polen, wo die Halbleiter aus Magdeburg weiterverarbeitet werden sollen, werden ausgesetzt. Die bestehende Chipfabrik in Irland soll laut Gelsinger „auf absehbare Zeit unser wichtigster europäischer Standort bleiben“.
Zugleich bekräftigte der Intel-Chef Investitionen in neue Werke im Heimatmarkt USA. Gelsinger teilte mit: „Wir bleiben unseren Investitionen in die US-Produktion treu und treiben unsere Projekte in Arizona, Oregon, New Mexico und Ohio voran.“ Zudem entwickelt der Konzern neue KI-Chips mit der Cloud-Sparte von Amazon.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Schulze setzt weiter auf Intel
Nach der angekündigten Verschiebung des Intel-Großprojekts in Magdeburg setzt Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) weiter fest auf eine Ansiedlung des US-Chipherstellers. „Intel hält, wenn auch mit einer zeitlichen Verzögerung, weiter an dem Projekt fest. Das ist für uns alle eine wichtige Nachricht“, sagte der CDU-Politiker. „Die Nachricht kommt für uns nicht völlig überraschend, wir waren in den vergangenen Wochen in einem engen Austausch mit Intel.“
Schulze richtet den Blick nach vorn. „Intel, die Bundesregierung als auch wir als Landesregierung stehen weiter zu dem Projekt. Wir werden in nächster Zeit gemeinsam weitere Gespräche darüber führen, was die Verzögerung nun konkret für das Projekt bedeutet“, sagte er.
Schwere Krise bei Intel: Gelsinger verhängt Sparkurs
Geplant ist in Magdeburg die Produktion modernster Halbleiter von weniger als zwei Nanometer Strukturgröße. Damit will Intel den technologischen Vorsprung des taiwanesischen Wettbewerbers TSMC aufholen. Zudem beabsichtigt der US-Konzern, der bisher nur eigene Chips fertigt, auch in die Auftragsproduktion einzusteigen. Damit soll ein zweites Standbein geschaffen werden.
Die Pläne haben für Gelsinger hohe Priorität. Doch Intel steckt aktuell in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Wegen anhaltender Verluste kündigte Gelsinger Anfang August an, weltweit 15.000 Arbeitsplätze, etwa 15 Prozent der Belegschaft, abzubauen. Zwar betonte er, dass Intel an der Strategie „IDM 2.0“ (Integrated Device Manufacturing 2.0) zum Ausbau der Fertigungskapazitäten festhalten wolle.
Doch zu Magdeburg verlor er kein Wort. Das führte bereits zu Spekulationen, dass das Projekt verschoben oder ganz gestrichen wird.
Wichtige Baugenehmigungen für Intel-Fabrik in Magdeburg liegen vor
Eine erste Baugenehmigung für die Fabriken in Magdeburg war Anfang September bereits erteilt worden. Dem war eine mehrmonatige Prüfung eines rund 2000-seitigen Bauantrages und eines Anhörungsverfahrens von Verbänden und Kommunen vorausgegangen.
Die erste Teilgenehmigung umfasst laut Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt neben den Fabrikbauten auch Gebäude für Kühlaggregate, Umspannstationen, Logistikgebäude und Rechenzentrum. Nicht Teil der Genehmigung seien die produzierenden und emittierenden Anlagen. Das Grundstück in Magdeburg hatte Intel bereits im Vorjahr gekauft.
Intel dominierte einst die Chipbranche, fiel dann aber zurück. Ein entscheidender Moment war der verlorene Kampf um den Platz in Smartphones. Intel hoffte, die Stärke im PC-Geschäft auf die Mobil-Geräte zu übertragen - doch bei den Computer-Handys setzten sich sparsamere Prozessoren durch. Smartphone-Chips kommen somit nicht von Intel, sondern von Wettbewerbern wie Qualcomm oder TSMC.