Energiekosten Preis hat sich verdoppelt: Woher Deutschland sein Erdgas bezieht
Die Versorgung in diesem Winter ist gesichert. Doch im Großhandel hat sich der Preis in den vergangenen Monaten verdoppelt. Wie sich das auf die Verbraucher auswirkt.
Halle/MZ. - Heizen mit Erdgas dürfte für viele Sachsen-Anhalter bald wieder teurer werden. Die Preise im Großhandel sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Kostete die Megawattstunde Erdgas im Frühjahr noch etwa 25 Euro je Megawattstunde (umgerechnet 2,5 Cent je Kilowattstunde), waren es Anfang Dezember 48 Euro je Megawattstunde (4,8 Cent je kWh). Das ist ein Anstieg von 92 Prozent.
Von den extrem hohen Preisen im Jahr 2022 von 300 Euro ist das zwar weit entfernt, doch die Entwicklung werden zeitverzögert auch die Haushalte zu spüren bekommen.
Erdgas fließt noch über die Ukraine
Nach Angaben von Energieexperte Andreas Schröder vom Marktforschungsunternehmen ICIS gibt es mehrere Gründe für den Preisanstieg: „Die letzten Wochen waren schon recht kalt, so dass die Nachfrage deutlich gestiegen ist.“ Viel wesentlicher sind nach seiner Einschätzung jedoch geopolitische Ursachen: „Für große Verunsicherung hat zuletzt gesorgt, dass Russland seine Lieferungen nach Österreich einstellen will“, sagt Schröder.
Das Nachbarland beziehe – anders als Deutschland – über die Ukraine weiter russisches Erdgas per Pipeline. Laut Schröder fließt das Erdgas momentan allerdings entgegen der Ankündigung weiter.
Kritisch wird es nach seinen Aussagen zum Jahreswechsel: „Dann läuft ein Transitvertrag von russischem Erdgas durch die Ukraine aus, sollte der nicht verlängert werden, dann erhalten Österreich, Ungarn und die Slowakei russisches Erdgas nur noch sehr begrenzt über die Türkei-Route.“ Die Länder müssten aus Westeuropa mitversorgt werden. Darauf reagiere der Markt jetzt schon. Als dritten Grund führt Schröder eine steigende Nachfrage nach Flüssiggas aus Asien an.
Die Versorgung mit Erdgas in Deutschland in diesem Winter ist laut Bundesnetzagentur gesichert. Die großen Erdgasspeicher waren zu Beginn der Heizperiode komplett voll. Aktuell liegt der Füllstand bei etwa 90 Prozent. Der Füllstand der großen mitteldeutschen Speicher in Bad Lauchstädt (Saalekreis) und Bernburg (Salzlandkreis) liegt laut dem Gasportal Agsi sogar bei 93 Prozent.
Die Bezugsquellen haben sich stark verändert, wobei es nicht so einfach ist, die genaue Herkunft des Erdgases nachzuvollziehen. Importe in die EU: Russische Gaslieferungen hatten 2023 laut dem Marktforschungsunternehmen ICIS noch einen Anteil von etwa 13 Prozent. 30 Prozent kamen aus Norwegen, 14 Prozent aus Nordafrika. Gut ein Drittel stammte aus Flüssiggas-Importen (LNG), etwa aus den USA und Katar.
Erdgas: Norwegen ist mit Abstand der wichtigste Lieferant
Importe nur nach Deutschland: 44 Prozent des Erdgases wurde 2023 über Pipelines aus Norwegen geliefert. Der Rest kam über LNG-Terminals aus den Niederlanden, Belgien und schwimmenden Plattformen an der deutschen Nord- und Ostseeküste – unter anderem Mukran, Lubmin, Wilhelmshaven.
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Der deutsche Gaspreis hängt laut ICIS-Energieexperte Schröder seit Dezember 2022 zunehmend vom internationalen LNG-Markt ab. „LNG ist in der Regel das teuerste Gas im Markt und daher preissetzend“, erklärt Schröder. „Wenn es in Asien kalt wird, hat das somit auch Auswirkungen auf Deutschland.“ Dieser Effekt werde umso stärker, je mehr LNG man importiert.
Preisanpassung bei Verbrauchern erwartet
Nach Einschätzung von Patrick Kather, Vertriebsvorstand des Regionalversorgers Envia-M, stehe fest, „dass wir das Preisniveau vor dem Ukraine-Krieg nicht wieder erreichen werden.“ So sei der Bezug von Flüssiggas per Schiff, etwa aus den USA, teurer als Pipelinegas aus Russland, sagte Kather zuletzt.
Die Envia-M-Gastochter Mitgas wird zu Jahresbeginn die Erdgaspreise für Haushaltskunden um rund zehn Prozent auf 14,14 Cent je Kilowattstunde senken. Das ist aber immer noch vergleichsweise teuer. Laut dem Vergleichsportal Verivox liegt der Durchschnittspreis in Deutschland aktuell bei elf Cent. Beim halleschen Versorger EVH sind es aktuell 12,57 Cent, bei den Stadtwerken Magdeburg 11,98 Cent.
Günstigere Preise gibt es bei Festpreisangeboten, die nur für zwölf Monate gelten. Aufgrund der stark gestiegenen Großhandelspreise dürften aber die Festpreisangebote in den kommenden Wochen auch teurer werden.
Kurz: Energieexperte Schröder sieht die Erdgasversorgung gesichert. Das Preisniveau sei wegen der politischen Unsicherheiten aber stark schwankend.