Energiewende 1,6-Milliarden-Investition: Leipziger Gaskonzern VNG plant Wasserstoff-Projekt in Wittenberg
Der Leipziger Versorger VNG und der niederländische Konzern HyCC planen in Wittenberg ein riesiges Wasserstoffprojekt. Warum die Milliarden-Investition aber noch nicht gesichert ist.
Wittenberg/MZ - Der Wittenberger Düngemittel-Hersteller SKW Piesteritz ist einer der größten Erdgasabnehmer in Deutschland. Zur Herstellung von Stickstoffdünger werden riesige Mengen des fossilen Rohstoffs benötigt. Damit das Unternehmen in zwei Jahrzehnten klimaneutral arbeiten kann, planen der Leipziger Gaskonzern VNG und das niederländische Unternehmen HyCC eines der bisher größten grünen Wasserstoff-Projekte in Deutschland.
In unmittelbarer Nähe des Agro-Chemieparks soll ein Wasserstoff-Elektrolyseur mit einer Leistung von 500 Megawatt gebaut werden, kündigten die Unternehmen am Mittwoch in Wittenberg an. Das Projekt trägt den Namen „Green-Root“. „Aktuell befindet sich VNG inmitten eines ambitionierten Transformationsprozesses hin zu grünen Gasen wie Biogas und Wasserstoff. Grünem Wasserstoff kommt dabei eine Schlüsselrolle zu“, sagte VNG-Vorstandschef Ulf Heitmüller.
Noch keine Finanzierung
Ein Elektrolyseur spaltet – vereinfacht ausgedrückt – mit Hilfe von grünem Strom Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff auf. Letzterer kann als Erdgasersatz verwendet werden. Aktuell baut VNG in Bad Lauchstädt (Saalekreis) eine Pilotanlage mit einer Kapazität von 30 Megawatt auf. Das Wittenberger Projekt ist 17-mal größer. Laut Heitmüller würden in der Endausbaustufe insgesamt etwa 1,6 Milliarden Euro investiert. Die Industrieanlage, die emissionsfrei arbeitet, soll auf dem Gelände eines ehemaligen Wasserwerks an der Elbe errichtet werden.
HyCC hat jahrzehntelange Erfahrung mit Elektrolysetechnologie im Bereich der chemischen Industrie. Dazu zählt auch eine Elektrolyseanlage im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen, die von der europäischen Muttergesellschaft Nobian betrieben wird. „Die hochmoderne Anlage in Wittenberg könnte die nachhaltige Entwicklung der Industrie in ganz Mitteldeutschland unterstützen“, sagte Michel Gantois, Vorstandschef von HyCC.
Eine Investitionsentscheidung für das Vorhaben soll aber erst 2026 fallen. VNG-Chef Heitmüller machte klar, dass unter den derzeitigen Rahmenbedingungen die Anlage nicht gebaut wird. „Für eine erfolgreiche Umsetzung brauchen wir wirtschaftliche Rahmenbedingungen und pragmatische Regeln entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette, die uns die Produktion von grünem Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen ermöglichen“, betonte er.
Hintergrund: Aktuell kostet die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland etwa acht bis zehn Euro je Kilogramm. Wird der Wasserstoff aus Erdgas hergestellt, sind es nur drei Euro. Das führt dazu, dass es bisher kaum Abnehmer aus der Industrie gibt.
Aktuell gibt es in Deutschland laut Erhebungen des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) etwa 30 kleinere Elektrolyseure mit einer Anlagengröße von 66 Megawatt. Berücksichtigt man laut EWI alle angekündigten Projektvorhaben, erreicht Deutschland bis 2030 eine Elektrolysekapazität von 10.000 Megawatt. Das Ziel der Bundesregierung wäre damit erreicht. Aktuell gibt es jedoch nur für drei Prozent eine finale Investitionsentscheidung.
Ein Beispiel: Nach MZ-Informationen plant das Chemie-Unternehmen Linde in Leuna (Saalekreis) einen 100-Megawatt-Elektrolyseur, der auch die Total-Raffinerie beliefern soll. Das Projekt ist durch die EU genehmigt. Doch derzeit ist fraglich, ob das Land Sachsen-Anhalt eine notwendige Millionenförderung zahlen kann.
SKW-Geschäftsführer Carsten Franzke betonte: „Wir wollen mittel- bis langfristig unsere Rohstoffbasis grüner machen.“ Es sei wichtig, dabei regionale Quellen und Wertschöpfungsketten aufzubauen. „Damit das möglich ist, benötigen wir aber Unterstützung“, so Franzke. Er nennt die Klimaschutzverträge des Bundeswirtschaftsministeriums. Diese müssten so ausgestaltet werden, dass man sie auch bei kleinen Schritten nutzen kann – ohne gleich die gesamte Produktion umzustellen.
Ein weiteres Hindernis ist laut Heitmüller die Versorgung mit grünem Strom. Bisher müssen die Investoren von Elektrolyseuren nachweisen, dass der verwendete Grünstrom gleichzeitig in einem Windpark oder einem Solarpark produziert wird. Die Branche benötige viel einfachere Lösungen, um kostengünstig grünen Strom aus ganz Europa zu beziehen.
Industriekunden aus Ostdeutschland
Es gibt jedoch auch Entwicklungen, die für die Wasserstoffprojekte sprechen: So nehmen mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien die Stromüberschüsse zu, die zeitweise entstehen. Diese können zum kostengünstigen Betrieb der Elektrolyseure verwendet werden.
Die in Wittenberg geplante Anlage soll an das deutsche Wasserstoff-Kernnetz angeschlossen werden. Das heißt, von Wittenberg aus könnten zumindest industrielle Kunden in ganz Ostdeutschland versorgt werden. Darauf setzt auch Konstantin von Oldenburg, Geschäftsführer der VNG-Handelstochter H&V: „Immer mehr Unternehmen wollen nachhaltige Produkte herstellen, benötigen dafür aber auch die Rohstoffe.“ Interessant sei das unter anderem für Pharma- und Automobilhersteller. Die Wasserstoffkosten seien bei denen nur ein kleiner Teil der Gesamtkosten.