Weltraum-Tourismus Weltraum-Tourismus: Magdeburgerin gewinnt Flug ins All

Magdeburg/MZ - Als sie das erste Mal so etwas wie ein Pionier war, haben ihre Eltern vier Wochen lang nicht mit ihr gesprochen. Damals war Heike Düsterhöft Jugendliche mit einem Notenschnitt von 1,0 am Ende der zehnten Klasse und einem Zweier-Abi. „Mein Vater war Bürgermeister und ich sollte unbedingt studieren“, sagt die heute 49-jährige Magdeburgerin. Sie selbst aber wollte Lokführerin werden - schon als Kind hatte sie den Puppenwagen am Dorfbahnhof von Prödel im damaligen Kreis Zerbst zur Seite gestellt und war auf Loks gestiegen, wenn man sie ließ.
Heike Düsterhöft hat sich durchgesetzt gegen ihre Eltern. Nach einer Schlosserlehre wurde sie 1986 die einzige Frau in der DDR, die Personenzüge fuhr. Wenn alles klappt, könnte sie bald wieder eine der ersten sein: eine der ersten Weltraumtouristinnen, die mit dem Space Shuttle namens „Lynx“ ins All abhebt, der derzeit von der amerikanischen Firma XCor Aerospace entwickelt und getestet wird. XCor liefert sich in Sachen Weltraumtourismus seit Jahren ein Wettrennen um den zivilen All-Flug mit Virgin Galactic, einer Firma des britischen Milliardärs Richard Branson, die vor kurzem den ersten raketenbetriebenen Test-Start mit ihrem SpaceShipTwo absolviert hat. Auf der Virgin-Warteliste steht ebenfalls eine Deutsche. Düsterhöft könnte aber auch die erste im All sein.
Dafür muss sie sich nur noch gedulden. Im Herbst 2014 soll „Lynx“ vermutlich von Curaçao in der Karibik abheben - mit ihr auf dem Copilotensitz. Im Weltraumjet ist nur für einen Passagier Platz, dafür bietet das Cockpit einen Panoramablick. Nach 58 Sekunden soll der Jet die Schallmauer durchbrechen, ab 60 Kilometer Höhe der Parabelflug beginnen - bis auch die wissenschaftlich als Grenze zum Weltraum betrachtete Höhe von 100 Kilometern überschritten ist. Dort, wo der Himmel schwarz wird, die Wölbung der Erde zu erkennen ist. Nach einer Stunde ist alles vorbei.
Dass Düsterhöft sich auf so ein Ereignis vorbereitet, hat viel mit Glück zu tun: Sie hat den Flug bei einem Gewinnspiel von McDonald’s und Mydays gewonnen. Ein Hauptpreis im Wert von rund 100000 US-Dollar, der ihr erst einmal ein furchtbar schlechtes Gewissen eingebrockt hat, wie sie erzählt. Weil sie das Getränk, auf dem der Sticker mit dem Hauptgewinn klebte, nicht einmal bezahlt hat. Ein Geschäftsfreund hatte sie Mitte April spontan zum Essen eingeladen. Er war es auch, der den Aufkleber von ihrem Colabecher abzog - „ich hatte meine Brille nicht mit“ - und dann selbst nur eine Eistüte gewann. Mit dem Hauptpreis hätte er aus gesundheitlichen Gründen auch nichts anfangen können, so Düsterhöft.
Weltraum also. Ha ha, hat sie anfangs gedacht, wird ein Werbe-Gag sein und am Ende landest du nur in irgendeinem Simulator. Dann kamen Anrufe, Briefe mit Unterlagen, Pressetermine. „Jetzt, nach dem ganzen Wirbel“, sagt die taffe Frau. Da müsse es doch einfach stimmen. Ihr schlechtes Gewissen hat sie inzwischen auch beruhigt: Dem Geschäftsfreund hat sie ihren Mercedes geschenkt.
Heike Düsterhöft: „Zuerst habe ich mich natürlich riesig gefreut - und meine Familie mit mir. Doch dann kamen schon auch Zweifel, ob nicht auch etwas schief gehen könnte. Aber schließlich werde ich ja gut auf den Trip vorbereitet.“
Heike Düsterhöft: „Neben einer Untersuchung gibt es mehrere richtig harte Einheiten. Das Training beginnt schon in diesem Jahr im August in den Niederlanden, obwohl ich erst im Herbst 2014, wahrscheinlich von der Karibikinsel Curacao aus, fliege. Zum Vorbereitungsprogramm gehören der Flug in einem militärischen Kampfjet, damit ich ein Gespür bekomme, welche immensen Kräfte beim Start der Rakete wirken. Auch der sogenannte Parabelflug zählt dazu. Dabei soll ich ein Gefühl für Schwerelosigkeit bekommen. Angst habe ich vor den Tests nicht, ich fahre schließlich auch mit jedem Karussell.“
Heike Düsterhöft: „Mit dem Raketenflugzeug SXC und mit 3,4-facher Schallgeschwindigkeit. Nach einer Stunde ist alles vorbei und ich bin dann hoffentlich wieder sicher auf der Erde. Übrigens habe ich rein zufällig von dem Gewinn erfahren. Ich hatte an jenem 16. April keine Brille auf, erst ein Bekannter sagte mir, dass ich den alles entscheidenden Sticker für meinen Ausflug in den Weltraum gezogen hatte.“
Und nun? Wird trainiert. Fit sollte man schon sein für den „Lynx“-Flug - medizinische Tests auf Herz und Nieren wird es geben. Also ist Joggen angesagt, ein bisschen Fitnessstudio. „Ich werde mich von meiner Tochter antreiben lassen“, sagt Düsterhöft. Im August soll dann das Astronautentraining in den Niederlanden starten. Parabelflüge werde es geben, um ein Gefühl für Schwerelosigkeit zu kriegen, Flüge mit einem Kampfjet, um Fliehkräfte und Geschwindigkeit zu spüren. Später kommt ein Zentrifugen-Training. Düsterhöft hofft, dass ihr nicht so übel wird, dass sie sich übergibt.
Das ist aber auch fast die einzige Befürchtung, die sie wirklich hat. Angst? Nur so viel, wie dazugehört, wenn man etwas macht, was Mut erfordert, sagt sie. „Ich bin kein ängstlicher Mensch.“ Das half, als sie 1999 einen Weg einschlug, auf dem sie erneut Seltenheitswert hatte: Sie eröffnete eine Kfz-Werkstatt, besuchte die Meisterschule - und war wieder die einzige Frau in der Runde.
Ihre Lokführerkarriere hatte sie nach der Geburt der Tochter aufgegeben, war Bankkauffrau geworden. Nach einem Unfall 1997 verliebte sie sich in den Mitarbeiter einer Abschleppfirma - und kam auf die Idee, zurück zu ihren Schlosser-Wurzeln zu gehen. Heute hat sie eine Werkstatt mit fünf Angestellten, manch verblüfften Kunden, weil der Meister eine Meisterin ist, und selten das, was sie „gepflegte Damenhände“ nennt. „Die sind nicht wichtig.“
Nur Tochter Josie (22), die kann mit Autoschrauberei nichts anfangen. Dafür mit Fliegerei: Am liebsten würde sie Pilotin bei der Lufthansa werden. Als Jugendliche hätte sie ihre Mutter gern mal zum Mond geschickt. „Wer will das nicht in der Pubertät?“ Nun soll es zumindest das Weltall werden und die Tochter freut sich mit. Auch wenn ihr anfangs etwas bange um die Mutter war. Die aber bleibt wie stets cool: „Wenn es da oben zu Ende geht, hatte ich wenigstens noch eine wunderschöne Aussicht.“