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Weihnachtsbräuche Weihnachtsbräuche: Luther ärgert sich über den Nikolaus

Von ERNST KRZIWANIE 17.12.2010, 16:30
Heiligabend im Hause Luther in Wittenberg wie sie sich ein Künstler einige Jahrhunderte später vorstellte. Bernhard Plockhorst ließ sich wie viele Maler von der im 19. Jahrhundert verbreiteten Darstellung einer weihnachtlichen Familienidylle leiten.
Heiligabend im Hause Luther in Wittenberg wie sie sich ein Künstler einige Jahrhunderte später vorstellte. Bernhard Plockhorst ließ sich wie viele Maler von der im 19. Jahrhundert verbreiteten Darstellung einer weihnachtlichen Familienidylle leiten. Lutherstiftung Lizenz

Halle (Saale)/MZ. - Wie viele Weihnachtstraditionen, die in heutiger Zeit bei uns und in vielen Ländern verbreitet sind, geht auch das Bescheren am Heiligen Abend auf Martin Luther und die Reformation zurück.

Etwa bis Mitte des 16. Jahrhunderts hat auch in protestantischen Gegenden am 6. Dezember der Nikolaus den Kindern Geschenke gebracht. Als "kyndisch ding" lehnte Martin Luther die Legende um die heilige Nikolausfigur in einer Predigt zum Nikolausfest 1527 entschieden ab. Doch trotz seiner Widerstände gegen den katholischen Kult um den Heiligen, ließ Luther den Nikolaus als Gabenbringer noch einige Zeit neben dem von ihm bevorzugten Christkind im Schwarzen Kloster, seinem Wittenberger Wohnhaus, gewähren und seine Kinder beschenken. Belege finden sich in einer Haushaltsrechnung der Familie Luther aus dem Jahr 1535. Darin sind Ausgaben für 135 Nikolausgeschenke an die Kinder sowie Jahrmarktsgeschenke für das Gesinde aufgeführt.

Das Überreichen praktischer Gaben an Mägde, Knechte und Bedienstete zum Nikolaustag, zu Weihnachten oder am Jahresende war damals üblich, hatte aber mit dem Bescheren im heutigen Sinne wenig zu tun. Verteilt wurden Bekleidung und andere praktische Dinge, die meist als rechtlicher Anspruch in den Gesindeordnungen festgeschrieben waren. Nach dem Beschenken wurde in vielen Orten von Hof zu Hof gegangen, um frohe Weihnacht zu wünschen. In Kleinpaschleben bei Köthen war es Brauch, dass alle Hirten durchs Dorf zogen, um mit dem Kuhhorn einen Kuhreigen zu blasen.

Gegen den Heiligen Nikolaus als Kultfigur der römischen Kirche ist Luther von der Kanzel ebenso energisch zu Felde gezogen, wie gegen die im Volk erhaltenen heidnischen Bräuche. In vielen Orten gab es behördliche Verbote gegen lärmende Umzüge am Nikolaustag und gegen den Christspiel-Missbrauch. Der Rat der Stadt Halle drohte, alle Zuwiderhandelnden ohne Ansehen der Person von der Straße weg zu verhaften und für etliche Tage ins Gefängnis zu setzen. Einen Eindruck solcher Nikolaus-, Ruprecht- und Heilige Christ-Umzüge, die mancherorts bis ins 17. Jahrhundert stattfanden, ist vom halleschen Gottesmann Christophorus Schubart überliefert: "Da laufen bei uns wider aller Verbote der Obrigkeit die also genannten hall-heiligen Christen mit Kuhglocken und Schafschellen behängt auf den Gassen und Straßen noch oftmals herum, brüllen, schwärmen, schlagen an die Häuser, erschrecken die Kinder und was des Wesens mehr."

So konsequent, wie Luther derartige Kulthandlungen ablehnte und den Nikolausbrauch am 6. Dezember wie andere katholische Rituale am liebsten verboten sah, versuchte er, den Brauch des Beschenken durch das Christkind am 25. Dezember zu beleben. Als Hinweis, dass ein Christkind die Mädchen und Jungen der Familie Luther bescherte, gilt ein überliefertes Tischgespräch aus der Vorweihnachtszeit im Jahr 1531. Aus der Aufzeichnung von Konrad Cordatus, dem Nachschreiber und Sammler von Luthers Reden, die Johannes Aurifaber 1568 veröffentlichte, geht hervor, dass Luther seine Tochter Magdalena vor Weihnachten gefragt hat: "Lenichen, was wird dir der Heilige Christ beschern?". Dieses Bescheren bezieht sich nach christlichem Glaube auf Gott, der den Menschen Jesus Christus geschenkt hat. So war Luther darauf bedacht, dass das Bescheren im Sinne des Evangeliums geschehen sollte, als Ausdruck von Nächstenliebeund Dankbarkeit sowie zum Freude bereiten in Familie und bei Bedürftigen.

Luthers Christkind, das im Verlauf des 16. Jahrhunderts im protestantischen Raum mehr und mehr die Rolle des alleinigen Gabenbringers ausfüllte, ist ab dem 19. Jahrhundert fast nur noch in katholischen Gegenden populär. Die Nikolausfigur aber kommt trotz Luthers Zorn auch in protestantischen Gebieten noch immer am 6. Dezember. Der Weihnachtsmann taucht erst im 19. Jahrhundert auf. Er wurde er erstmals 1863 von dem deutschen Auswanderer Thomas Nast für das amerikanische Magazin "Harper's Weekly" gezeichnet.

Bis ins 19. Jahrhundert war Weihnachten mit einem dritten Festtag verbunden. Für alle zum Fürstentum Anhalt zählenden Gebiete wurde dieser Feiertag per Gesetz am 9. September 1811 abgeschafft. Bis dahin war es wie am Dreikönigstag Brauch, dass Kinder am so genannten Klingeltag mit Körben, Taschen und einem grünen Tannenzweig in der Hand von Haus zu Haus zogen, um Gaben zu ersingen. Die Bezeichnungen des Brauches waren regional unterschiedlich. Im Weißenfelser Raum etwa gingen die Kinder "fitscheln".