Wahlparty Wahlparty: Kaffeebecher, Burger und Prognosen
LEIPZIG/MZ. - "Die Kunden eines Coffee-Shops wurden jeweils gefragt, ob sie einen Obama- oder einen McCain-Becher wollten. Die Ergebnisse wurden dann später quasi als Stimmungsbild veröffentlicht", berichtete die Studentin, die in der Nacht zum Mittwoch die Wahlparty des US-Generakonsulats in Leipzig besuchte, von einer Kuriosität des Wahlkampfes.
"Es wurden einfach alle automatisch in den Wahlkampf hineingezogen", sagte die Chefin des Uni-Radios 97.6, die auch erlebt hat, wie Obama-Anhänger über Nacht die Universitätsgebäude in Athens (Ohio) komplett mit Plakaten ihres Idols überklebten. "Die Universität sah danach aus wie eine Kultstätte", erzählte Madelaine Meier. Den Höhepunkt und Abschluss des US-Wahlkampfes, über den sie mit einigen Kommilitonen einen Film gedreht hat, erlebte sie nun mit hunderten anderen Gästen in Leipzig. Und die Studentin wusste wie alle anderen: Es wird eine lange Nacht. Dafür legte sie sich früh fest, dass Obama das Rennen machen wird. Die US-Generalkonsulin Katherine Brücker versprach einen spannenden und historischen Abend, festlegen auf einen Sieger jedoch wollte sie sich nicht. "Wir werden 51 Sieger haben - in jedem Bundesstaat einen", so Brucker diplomatisch.
Erste Prognosen des US-Senders CNN flimmerten kurz nach Mitternacht über die Bildschirme. Doch das John McCain in Kentucky einen leichten Vorsprung hatte und so auf acht Wahlmännerstimmen hoffen konnte, interessierte kaum einen. Die eigentlichen Entscheidungen würden später in Schlüsselstaaten wie Florida fallen. Das wusste auch Paul Rundquist, der seit Jahren als US-Gastprofessor auch an der Universität Halle Vorlesungen hält. "Wenn Obama am Ende die Nase in Virginia, Florida oder Pennsylvania vorne hat, stehen seine Chancen gut", betonte Rundquist. Dass der Demokrat in allen drei Staaten letztlich siegte, war zunächst nicht abzusehen.
So nutzten viele Gäste die Zeit, für einen kräftigen Biss in einen Burger oder beteiligten sich an einem Quiz zum US-Wahlsystem. Andere blickten zurück auf einen langen Wahlkampf. "Obama hat wirklich eine unglaublich effektive Kampagne auf die Beine gestellt", erklärte Rundquist. "Ohne die aktuelle Finanzkrise wäre es jedoch sehr eng für ihn geworden." Auch die Analysten bei CNN sehen das so. Hinzu komme die enorme Bürde, die George W. Bush mit seiner Politik hinterlassen habe. "Davon kann sich McCain kaum erholen."
Das bestätigen auch die Ergebnisse, die gegen 2 Uhr morgens kommen. Obama hat jetzt auch Pennsylvania sicher. "Eine sehr schmerzhafte Niederlage für die Republikaner", heißt es. Weitere Schlüsselstaaten fehlen noch immer, doch Obamas Vorsprung bei den Wahlmännern steigt auf 102 zu 34, später auf 174 zu 49.
Ähnlich scheinen auch die Sympathien für die Kandidaten bei den Leipziger Partygästen verteilt zu sein. "Die ausgelegten Buttons von Obama sind fast alle weg, McCain will jedoch offenbar keiner haben", bilanzierte am frühen Morgen eine Mitarbeiterin des US-Generalkonsulats. Und auch die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion beschäftigen sich lange vor Wahlsieg der Demokraten nur noch mit Obama - und warnen einhellig vor übersteigerten Erwartungen.
"Wir müssen Realitätssinn bewahren", sagte Weert Börner aus dem Auswärtigen Amt. "In der Finanzkrise beispielsweise ist auch der Spielraum Obamas begrenzt." Mit Blick auf das sehr umstrittene Gefangenenlager in Guantanamo zeigte sich Weert indes offen froh über das Ende der Bush-Ära. "Darunter hat die gesamte westliche Wertegemeinschaft stark gelitten." Gastprofessor Crister Garrett, derzeit an der Uni Leipzig, pflichtete ihm bei. "Die Wähler in den USA sind sich bewusst, wie sehr unser Image gelitten hat", sagte der Wissenschaftler. "Da gibt es jetzt einiges aufzupolieren."
Das hofft auch Michael Schuster, Präsident der deutsch-amerikanischen Gesellschaft in Erfurt. Das gelte um so mehr, als das Image Amerikas gerade in Ostdeutschland schlecht sei. "Da gibt es für uns noch sehr viel Fußarbeit zu leisten." Trotz der anstrengenden Wahlnacht wollte er damit gleich beginnen. "Mittwochabend haben wir den nächsten Stammtisch, da gibt es einiges zu besprechen."