Völkerschlachtdenkmal in Leipzig Völkerschlachtdenkmal in Leipzig: Außen Stein innen Beton

leipzig/MZ - Es hat 100 Jahre gedauert, bis der Leipziger Völkerschlacht das Denkmal gesetzt wurde, das nun im Mittelpunkt des 200-Jahrgedenkens des Gemetzels vom 16. bis 18. Oktober 1813 steht. Hundert Jahre, in dem sich die Gesellschaft wiederum von dem nationalistischen Eifer meilenweit entfernt hat, mit der der „Deutsche Patriotenbund“ angeführt vom Leipziger Architekten und Stadtrat Clemens Thieme seine Erwartungen an dieses Erinnerungsmal herantrug. Er holte für die Aufgabe Bruno Schmitz, den Schöpfer der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler vom Kyffhäuser, von Koblenz und von Porta Westfalica.
Spät sollte sich an seinem Werk Ernst Moritz Arndts Ruf erfüllen, die „Befreiung vom abscheulichsten Tyrannen und tückischsten aller Tyrannenvölker“ – gemeint sind Napoleon und Frankreich – zu feiern, und zwar „mit einem Koloss, einer Pyramide, einem Dom zu Köln“ oder doch wenigstens einem „Erdhügel von 2 000 Fuß Höhe“.
Verbesserung der Betonbauweise auf Frankreich
Und so steht das Denkmal und seine Skulpturen heute da, handelt pompös von Ehre und Ruhm und Kraft und impliziter Kriegsbegeisterung. Doch es ist etwas geschehen, das den Besucher von heute auf überraschende Weise hinter das dräuende Pathos, die kolossale Schwere und das trutzige Imponiergehabe blicken lässt. Es musste saniert werden vom Kern heraus, und eben dort lässt man den Besucher seinen Rundgang beginnen, hinter der Tür unter dem Erzengel Michael, im Inneren der gigantischen Stützpfeilerkonstruktion. Und es zeigt sich: Das steinerne Ungetüm ist innen wie außen mit seiner in Porphyr gemauerten Ewigkeit nur behängt, im Fundament aber schaut man auf das tragende Gerüst aus Beton, ein Zeugnis industrieller Architektur von ungemein zeitgemäßer Ästhetik – roh, kahl und technisch.
Fotos aus der Bauzeit zeigen das Karree von konisch geformten Pylonen, wie es nackt dastand, bevor es verkleidet wurde. Der Beton war Schicht um Schicht in Holzverschalungen gepresst, und mit jeder Schicht gab es einen kleinen Rücksprung, um die Schalbretter darauf neu zu verankern. Auf diese Weise wuchs Pfeiler um Pfeiler in die Höhe. Als man um 1905 beim Ansatz der „Krypta“ angekommen war, setzte man auch Eisenarmierung ein, einer Verbesserung der Betonbauweise, die (ausgerechnet!) aus Frankreich kam.
Erbauer feierten mit dem Völkerschlachtdenkmal „die nationale Wiedergeburt“
Die Wegführung durch das Fundament ergibt sich beinahe logisch aus dem Konzept der fast 20 Jahre dauernden Restaurierung und Sanierung, die kein Aufpolieren von Pathos, sondern nüchtern-sachliche Notwendigkeit zum Inhalt hatte. Der größte Schaden war schon jahrzehntelang unübersehbar: die undurchdringliche Schicht von rußschwarzen Schmutzablagerungen aus der Luft. Allein die Reinigung der Gesteinsmassen hat das Düster-Schreckliche des Kolosses gemildert. So dumpf erstarrt die gepanzerten Grabeswächter in Reihe stehen und das Bauwerk seine Masse als irdische Last und Schwere begreift, so liegt doch wenigstens ein Schimmer von Farbtönen aus Rot- und Graubraun darüber. Der mildere Klang kann den Grundton des Mahnmals allerdings nicht vergessen machen.
In der Diktion seiner Erbauer feiert das Völkerschlachtdenkmal „die nationale Wiedergeburt“ Deutschlands als ein Volk „eisenstark und glaubensfest“. Und bei allem Bemühen, Schlacht und Denkmal auch im neu gestalteten Museum im Seitenflügel aus heutiger Sicht zu interpretieren: Die Gewalt der angehäuften Symbolik steht doch weitgehend ungebrochen da.
„Es war baulich und auch moralisch zerschlissen.“
Im anderen Seitenflügel trifft man auf einen Sachkenner der Denkmalsgeschichte seit der Wende. Mit seinem grünen Trachtenjankerl und spürbar feinsinnigem Humor scheint er so gar nicht ins eichenholzgetäfelte Verwalterzimmer zu passen, das aus der Bauzeit stammt. Steffen Poser, Kustos am Leipziger Stadtgeschichtlichen Museum, erinnert sich, dass bis zur Mitte der 90-er-Jahre zwiespältig über das Denkmal diskutiert wurde. „Es war baulich und auch moralisch zerschlissen.“ Aber sein Zustand erzwang eine Entscheidung - Rettung oder Verfall.
„Wir mussten Jahre investieren, um zu verdeutlichen, warum das Denkmal erhaltenswert ist.“ Im Ergebnis könne es als ein Teil „gemeinsamer Vergangenheit“ in Europa, und als Zeugnis für die „geistige Verfasstheit der Gesellschaft um 1900“ verstanden werden.
Um die Mitte der 90-er Jahre gründete der Freistaat eine Stiftung mit zwölf Millionen Mark Startkapital und dem Auftrag, die Sanierung durchzuführen. Ein Förderverein gesellte sich hinzu, der allein 1,6 Millionen Euro aus Tausenden von Einzelspenden aufbrachte. Alles in allem sind 20 Millionen Euro geflossen, und immer noch stehen die Sanierung des großen Wasserbeckens und die Gestaltung der Grünanlagen an.
Wasser im Inneren war das größte Problem
Das konservatorische Hauptproblem, sagt Poser, liegt aufgesaugt im Beton: „pro Kubikmeter eine Badewanne Wasser“. Es ist Kondenswasser, das eindrang, entstanden durch das Einströmen warmer Luft in den kalten Innenraum. „Am Boden stand das Wasser knöcheltief.“ Hinzu kam das verstopfte und zerbrochene Rohrleitungssystem im Inneren der Betonhülle. Der Mörtel bröselte aus allen Fugen. Selbst die Kanonentreffer aus dem Zweiten Weltkrieg, als die Amerikaner auf Leipzig vorrückten, waren nur behelfsmäßig beseitigt worden.
Saniert wurde bei laufendem Betrieb. 200 000 Besucher kamen pro Jahr. Es werden wahrscheinlich mehr werden. Im Hintergrund wird noch lange das Heißluftgebläse arbeiten, um die tief sitzende Feuchtigkeit zu beseitigen. Und das Denkmal, das Kriegstugenden feierte, ist nun dank Aufzügen „barrierefrei“ bis zur Aussichtsplattform. Man kommt, um den Blick zu genießen. Das Gehabe von Kraft und Willen, das Bauwerk und Skulpturen so mystisch raunend und muskelprotzend verströmen, muss man heute zum Glück nicht mehr ernst nehmen.
Völkerschlachtdenkmal: April-Okt. tgl. 10–18, Nov.–März 10–16 Uhr. Aufstieg zur Plattform jederzeit möglich.