Unternehmer aus Thale Unternehmer aus Thale: Mit dem Schlager-Taxi zu den Stars

Thale - Lachen oder Weinen? Vor Empörung losbrüllen oder die Hand vom Lenker nehmen und den Scheibenwischer machen? Im ersten Moment war sich Paul Pruschek nicht sicher, wie er auf die Neuigkeiten reagieren sollte. „Der MDR will keine Schlager mehr spielen, weil es immer weniger Leute gibt, die Schlager hören wollen“, erinnert der 66-Jährige, „da dachte ich, ich spinne“.
Denn Pruschek, der in der Wendezeit eines der ersten privaten Taxiunternehmen im Harz gründete, macht ganz andere Erfahrungen. „Die Leute fliegen auf Schlager“, sagt er, „das ist eine Boombranche, die Fans in allen Altersklassen hat“. Paul Pruschek, seit frühester Jugend bekennender Fan von Peter Kraus, hat sie heute zu Dutzenden im Auto sitzen, die alten Liebhaber von Christian Anders, Jürgen Drews und Hansi Hinterseer. Und die jungen Anhänger von Andrea Berg, Andreas Gabalier oder Michael Wendler. Denn Pruschek, ein beweglicher Typ mit kräftiger Figur, hoher Stirn und breitem Lächeln, ist nicht nur einfach Taxi-Fahrer, sondern der Kult-Kutscher der Schlagerbranche überhaupt.
Per Zufall zum Schlagertaxi-Fahrer
Alle hat der Mann aus Thale sie schon gefahren, von Peter Kraus über Angelika Milster bis Elmar Gunsch, nach Hause und zur Bühne, nüchtern und auch mal ein wenig angesäuselt in der Euphorie nach einem gelungenen Auftritt. Dabei ist er nur ganz zufällig zum Schlagertaxi-Fahrer geworden, wie er sagt. „Das fing mit ein paar Damen an, die fragten, ob ich sie nicht zum Konzert der Kastelruther Spatzen nach Braunschweig chauffieren könnte.“ Damals betrieb der ehemalige Stahlarbeiter Pruschek seinen Betrieb noch mit dem Wartburg 1.3 mit VW-Motor, den er ein paar Wochen vor dem Mauerfall hatte abholen können. Ein paar Wochen nach dem Mauerfall kam die Kündigung. „Ich stand da, Geld weg, Arbeit weg und der Wert von dem Auto war auch weg.“
Paul Pruschek aber ist ein Machertyp, einer der anpackt, ein umtriebiger Chancenerkenner, der aus dem, was er hat, das Beste macht. Zu DDR-Zeiten ging er mit einer Feierabendbrigade Schrott in sowjetischen Kasernen brennen, dass die Urlaubskasse fröhlich klingelte. Nun beschloss er eben, mit dem schmucken 1.3er Taxi zu fahren. „Vor allem im Westharz war das ein Hingucker“, erinnert er sich, „die kannten nur Trabis, so ein Auto aber hatten die noch nie gesehen.“
Aber Pruschek kam jetzt öfter, trotz des Stresses beim ersten Mal. „20 Uhr Konzertbeginn, überall Baustellen, die Damen hinten mit Blumen drin, eine Aufregung.“ Aber alles geht gut. „Nach der ersten Schlagerfahrt hat sich das rumgesprochen, es kamen immer mehr Leute, die gefragt haben, ob ich sie zu irgendwelchen Konzerten fahre.“ Nichts lieber als das, sagte sich der Fan Pruschek und baute das Geschäft allmählich aus. „Man lernt ja dann die Veranstalter kennen, man sagt sich, okay, ich biete ein Paket an, wo Fahrt und Eintrittskarte gleich mit drin sind.“
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Ganz langsam rutscht der Thalenser immer näher an die großen Stars und kleinen Sternchen heran. Hannover, Halle, Magdeburg, Leipzig - „ich brauchte keine Werbung machen, die Leute kamen von ganz allein.“ Aus dem Schlager-Wartburg wird ein Kleinbus, aus dem Kleinbus zuweilen ein Reisebus. „Bei der Schlagerstarparade in der Bördelandhalle sind wir von Anfang an dabei gewesen.“
Für den umtriebigen Unternehmer, der in Thale nebenbei einen Kiosk betreibt, eine ideale Kombination. „Das Naabtal Duo, Semino Risso, Andy Borg - ich habe sie alle kennengelernt“, schwärmt Paul Pruschek. Über 200 Autogrammkarten hat er gesammelt, von Peter Kraus bis zu Helene Fischer und Country-Legende Jonny Hill, den seine Frau Sieglinde besonders mag. „Ich selbst höre sie alle, aber auch gern mal die Beatles oder die Bee Gees. Die richtige Mischung muss es sein.“
Schlager-Stars füllen Hallen
Die aber stimme nicht mehr, wo sich Schlagerfans wie er und seine Passagiere im Rundfunk kaum mehr wiederfänden. Dass Schlagermusik immer weniger Freunde habe, widerspricht den Erfahrungen des Mannes, den sie in der Schlagerwelt nur noch den „Taxi-Paule“ nennen. Die Hallen sind voll, Stars wie Helene Fischer ziehen Zehntausende an. „Ich verstehe vollkommen, dass Leute wie Denny Schönemann protestieren, dass sie keine Chance im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekommen.“ Der Sänger und Filmemacher Schönemann hatte das Thema in die Öffentlichkeit gebracht.
Selbstverständlich ist Paul Pruschek befangen. Taxi-Paule kennt sie nicht nur alle, sie alle kennen auch ihn. Im schlagerfreundlichen MDR-Fernsehen ist er sogar mal vor der versteckten Kamera von den beiden als Politessen verkleideten Schlagersternchen Anita und Alexandra Hofmann verschaukelt worden! Und selbstverständlich ist er stolz darauf. Die Aktion von Schönemann findet er gut. Er mache schließlich jede Woche die Erfahrung, wie heiß ganz unterschiedliche Menschen auf Schlagermusik seien, „wie sie sich freuen, wie sie sich extra schmuck machen und wie begeistert sie danach davon erzählen“. Schlager, da ist Paul Pruschek sicher, „macht das Leben leichter und lebenswerter“. (mz)
