Ungewöhnliche Hochzeit Ungewöhnliche Hochzeit: Ein Ja-Wort in der Tagesklinik
Halle/MZ. - "Ich bin nicht aufgeregt, aber mein Röschen." Es ist Horst Fretzers Hochzeitstag. 30 Jahre hat der Hallenser bereits mit seiner 47 Jahre alten Lebensgefährtin Roswitha Tille zusammen gelebt. Doch von einer Heirat war bis vorgestern nicht die Rede. "Als ich sie kennen gelernt habe, kam ich gerade von der Scheidung. Ich habe ihr gleich gesagt, ich heirate nicht noch einmal." Kurz vor der Trauung ist der 65-jährige fröhlich, obwohl ihm das Sprechen nicht leicht fällt: "Jetzt breche ich mein Wort."
Die Trauung fand gestern in der Tagesklinik des Evangelischen Diakoniewerks in Halle statt. Dorthin kommt Horst Fretzer seit zwei Jahren - zur ambulanten Chemotherapie. Er ist schwer krank. Diagnose: Lungenkrebs. Eigentlich hätte er sich noch ein bisschen Bedenkzeit gewünscht, sagt er: "Aber die Gesundheit wird ja nicht besser." Und: "Sie ist die Richtige, das ist doch gar keine Frage."
Es ist eine Hochzeit mit Hindernissen. Denn nicht nur der geschwächte Bräutigam erscheint im Rollstuhl vor dem Altar. Auch seine Frau wird im Rollstuhl gefahren: Ein Schienbein- und ein Knöchelbruch vor vier Wochen haben die agile Roswitha Tille in ihrem Bewegungsradius eingeschränkt. Trotzdem, die Schwiegertochter hat von einem Tag auf den anderen alles so arrangiert, dass die Trauung in der Diakonie stattfinden kann. Dort ist es eine Premiere, zu der auch Standesbeamtin Ursula Kreutzer gekommen ist.
Wenn ein Brautpaar nicht in der Lage ist, auf dem Standesamt zu erscheinen, trauen die Beamten auch anderenorts. Kreutzer: "Wenn es sein muss, von jetzt auf sofort." Eine solche Nottrauung findet in Halle zehn bis 15 Mal pro Jahr statt.
Die Atmosphäre ist schließlich auch in der Klinik so feierlich wie bei jeder anderen Trauung. Für den Hochzeitsmarsch sorgt Pfleger Andreas mit der Trompete. Als Trauzeugen sind Schwiegertochter Ines Böhme und Horst Fretzers Sohn aus erster Ehe, Heiko, da. Auch zwei Freunde sind gekommen. Nur der gemeinsame Sohn Andreas fehlt: "Er hat leider nicht frei bekommen." Nach der standesamtlichen Trauung folgt die Einsegnung in der Diakonie-Kirche - sie ist dem Brautpaar wichtig.
Wichtig ist Roswitha Tille auch, "dass wir durch die Heirat nun eins sind". Beide blicken mit Hoffnung in die Zukunft. Wenn Horst Fretzer diese auch eher bescheiden formuliert: "Dass es so friedlich weiter geht wie bisher. Wir zwei, wir sind doch glücklich."