Umsiedlung Umsiedlung: «Alles ist endlich» in Heuersdorf

Heuersdorf/dpa. - Nach Jahren desvergeblichen Kampfes gegen ihre Umsiedlung steht den noch 55Bewohnern das letzte Weihnachtsfest in ihrer alten Heimat bevor. VonVorfreude auf das Fest künden nur vereinzelt Schwibbbögen in denFenstern der wenigen noch bewohnten Häuser.
«Dieses Weihnachten wird sehr traurig, wir wissen alle, dass wires nie wieder hier feiern werden», sagt Bernd Günther. Er ist derVorsitzende des Vereins «Für Heuersdorf» und der Einzige, derüberhaupt noch über den verlorenen Kampf sprechen möchte. Anderewollen ihre Geschichte nicht noch einmal wiederholen. Sinnlos seiendie zahllosen Interviews gewesen. Das Dorf müsse denBraunkohlebaggern trotzdem weichen, sagt ein gebürtiger Heuersdorfer,der sich bei der Frage nach seinem Namen kopfschüttelnd abwendet.
Beim Gang durch das verlassene Dorf fallen die vielen Gardinen insAuge. «Wir haben darum gebeten, sie hängenzulassen, damit die Häusernicht ganz so verlassen aussehen», sagt Günther. Doch vom bröckelndenPutz, den verwilderten Beeten und löchrigen Dächern können auch diemittlerweile grau gewordenen Gardinen nicht mehr ablenken.
Ab und an fährt ein Auto vorbei, meist voll beladen mit Bauschutt.Keine Heuersdorfer, sondern «legale Plünderer», wie sie Günthernennt. Menschen also, die von der MitteldeutschenBraunkohlengesellschaft (Mibrag) einen sogenannten Entnahmescheinhaben und tagsüber aus den verlassenen Häusern herausholen, was sienoch gebrauchen können. In der Nacht kommen dann Plünderer ohneGenehmigung und machen sich auch nichts daraus, die Klingel am Hausdes Vereinsvorsitzenden abzuschrauben. «Darüber kann ich schon nurnoch lachen», sagt Günther.
Die Frage, wie es sich anfühlt, nach so vielen Jahren Kampf gegendie Umsiedlung trotzdem verloren zu haben, bleibt unbeantwortet. «Mankann das alles gar nicht rauslassen, wahrscheinlich wird mich dasmein ganzes Leben lang umtreiben.» Von den ehemals 312 Heuersdorfernsind die meisten inzwischen nach Regis-Breitingen und Frohburgumgezogen.
Vom einstigen Dorfleben ist nicht viel geblieben: In den letztenTagen von Heuersdorf konzentriert es sich vor allem auf dasSportlerheim. Jeden Mittwoch trainieren die Fußballer, das Bierdanach baut die Dorfseele für kurze Zeit wieder auf. Mit vielenWeggezogenen habe man noch Kontakt.
Doch die Jahres des Kampfes haben auch an der Dorfgemeinschaftihre Spuren hinterlassen. Der Verein «Für Heuersdorf» könnte nach derVorstellung des Vorsitzenden ein Heimatverein werden, der«aufgerissene Gräben glätten soll». Zudem müsse in Erinnerungbleiben, dass das Dorf überhaupt gegen sein Ende aufgestanden sei.«Immerhin haben wir 15 Jahre Widerstand geleistet», beschreibtGünther die Klagen bei Gericht, die Hoffnungen und Enttäuschungen.
Der Widerstand ist an der nördlichen Dorfgrenze deutlichgebrochen, kaum ein Haus ist hier noch bewohnt, einige sind bereitsabgerissen. «Jedes Haus ist eine Wunde», sagt Günther, die Hände tiefin den Taschen seiner Jeans vergraben, als er mit Besuchern in dereigentlichen Mitte des alten Dorfes steht. Hier, wo bis Ende Oktoberdie inzwischen umgesiedelte 750 Jahre alte Emmauskirche stand und derKohlebagger nur noch wenige Meter entfernt Braunkohle aus der Erdeholt, ist die Endzeitstimmung greifbar.
Der Tagebau Vereinigtes Schleenhain wird die Dorfgrenze noch indiesem Jahr erreichen und damit das endgültige Aus von Heuersdorfeinläuten. In spätestens einem Jahr soll die Umsiedlung abgeschlossensein, dann wird das Dorf nicht mehr existieren. «Alles ist endlich,das ist einem hier jeden Tag bewusst», sagt Günther - mit dem Versucheines Lächelns im Gesicht.