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U-Bahn und Altstadt in der Heide U-Bahn und Altstadt in der Heide: Bundeswehr-Übungsstadt "Schnöggersburg" in der Altmark entsteht

Von Dörthe Hein 01.10.2015, 14:44
Journalisten besichtigen am 01.10.2015 die Übungsstadt Schnöggersburg im Gefechtsübungszentrum Heer bei Gardelegen (Sachsen-Anhalt).
Journalisten besichtigen am 01.10.2015 die Übungsstadt Schnöggersburg im Gefechtsübungszentrum Heer bei Gardelegen (Sachsen-Anhalt). dpa Lizenz

Gardelegen - Von der U-Bahn-Station führen 29 Stufen eine steile Treppe hinauf ins Tageslicht. Oben angelangt blickt man noch nicht auf eine Großstadt, sondern in die grün-braune Landschaft der Colbitz-Letzlinger Heide nördlich von Magdeburg. Unter den Füßen knirscht Heidesand. Etwas entfernt ist eine Altstadt mit grauen Betonbauten zu sehen. Auf einigen prangen rote und braune Dächer. An anderen stehen noch Gerüste, ein Baukran überragt die Siedlung. Inmitten eines der am dünnsten besiedelten Gebiete Europas, lässt die Bundeswehr eine Übungsstadt entstehen. Soldaten sollen so auf ihren Auslandseinsatz.

Auf gut sechs Quadratkilometern entsteht im nördlichen Teil des Truppenübungszentrums Altmark die Übungsstadt „Schnöggersburg“. Dazu gehören mehr als 500 Gebäude mit unterschiedlichen Geschossen und über 300 Hütten. Es soll eine verwinkelte Altstadt geben, eine Industriestadt mit Flughafen-Abfertigungshalle und Tower, eine Neustadt mit Hochhäusern, einem Krankenhaus und einer Feuerwehr. Dazu kommen ein Trümmerfeld, Elendsviertel und eine Kasernenanlage.

16.500 Meter Straßen, 800 Meter Kanal mit fünf verschiebbaren Brücken, 1500 Meter Gleis, 540 Meter Übungskanalisation, 350 Meter U-Bahn-Tunnel.

Aktuell veranschlagt sind 118 Millionen Euro, zunächst war von 100 Millionen Euro ausgegangen worden. Der Bau wird aus dem Bundeswehr-Etat finanziert.

Bauherr ist die Bundeswehr, Hausherr aber noch die Landesbauverwaltung Sachsen-Anhalt. Sie beauftragt Firmen mit einzelnen Baumaßnahmen. Laut Bundeswehr profitieren viele regionale Firmen.

In „Schnöggersburg“ sollen zeitgleich bis zu 1500 Soldaten üben. Damit erhöht sich laut Bundeswehr die Ausbildungs-Kapazität des Gefechtsübungszentrums Heer nicht. Es werden die Möglichkeiten der Ausbildung erweitert.

Noch ist „Schnöggersburg“ eine riesige Baustelle - Wind und Fahrzeuge wirbeln mächtige Staubwolken über dem kargen Land auf. Die U-Bahn mit einem 350 Meter langen Tunnel sowie der künstliche Fluss Eiser mit verschiebbaren Brücken gehören zu den ersten Bauwerken, die fertig sind. Auch viele der 181 Gebäude in der Altstadt sind fertig. Der erste Teil von „Schnöggersburg“ - benannt nach einer alten Försterei in der Nähe - soll im Jahr 2017 übergeben werden. Anfang 2018 sollen hier die ersten Soldaten üben. Bis zu 1500 gleichzeitig.

Geisterstadt mitten in der Heide

Bis 2020 soll die komplette Übungsstadt mit mehr als 500 Gebäuden samt Hochhäusern, einem Stadion, Flughafen, Elendsviertel und Übungskanalisation fertig sein. Alles auf einem Gelände von etwa zwei mal drei Kilometern. 118 Millionen Euro hat die Bundeswehr für die Kosten veranschlagt.

Wozu diese Geisterstadt mitten in der Heide? „Die beste Lebensversicherung, die wir unseren Soldaten geben können, ist eine gute Ausbildung“, sagt der Leiter des Gefechtsübungszentrums des Heeres, Oberst Uwe Alexander Becker. Bislang können die Soldaten auf den offenen Flächen und im Wald mit dem lasergestützten System für Einsätze üben. Jeder Soldat, der in den Auslandseinsatz geht, kommt hier in die Altmark.

„Die Konflikte finden zunehmend in Städten statt“, sagt Becker, der selbst auch in Sarajewo und in Afghanistan war. Die Einsatzbedingungen seien sehr komplex - es geht über Dächer, unter die Erde, in die Kanalisation. Meist fehlt der Sichtkontakt zu anderen Soldaten oder Fahrzeugen.

Während des Kampfes lebe die Bevölkerung in der Stadt. Der Kampf in Städten gehöre zu den schwierigsten Aufgaben. „Darauf müssen die Soldaten zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz der Bevölkerung vorbereitet werden“, sagt Becker. In Deutschland gebe es bislang keine solchen Möglichkeiten. Auch international seien sie rar.

Keine Schüsse in „Schnöggersburg“

Die Übungsstadt bleibt bei der Simulation. In der U-Bahn-Station fährt keine U-Bahn, die Häuser bleiben im Rohbau - vor vielen Fenstern sind statt Fenstern nur Metallplatten angebracht, um Tiere oder die Witterung abzuhalten. Auch wenn hier wie geplant 1500 Soldaten üben, soll kein einziger scharfer Schuss fallen, betont Becker. Auf dem 30 mal 8 Kilometer großen Truppenübungsplatz werden schon seit vielen Jahren Soldaten für Auslandseinsätze ausgebildet, auch ausländische Truppen üben im Gelände.

Dabei wird auf lasergestützte Simulation gesetzt. Scharfe Schüsse sollen auch in „Schnöggersburg“ nicht fallen. Es wird so realitätsnah wie möglich simuliert. 600 Soldaten des Ausbildungsverbands sollen dabei Gegner sein für die Übungstruppe, die auf den Einsatz vorbereitet wird. Dabei können die Soldaten als Zivilisten in Siedlungen auftreten oder als gegnerische Kämpfer.

Im U-Bahn-Tunnel, rund sieben Meter unter Tage, geht das Licht aus. Über Lautsprecher werden die Soldaten mit Gefechtslärm beschallt. Die Truppe wird unterirdisch und unsichtbar für den Feind verlegt. Im Dunklen geht es über die Schotterstrecke. 350 Meter lang. Das könnte ein Szenario sein, das Soldaten in der U-Bahn-Station üben. Ab 2018. (dpa)