TV-Dauerbrenner "Kunst und Krempel" TV-Dauerbrenner "Kunst und Krempel": Carl Ludwig Fuchs prüft Stars aus der Schatulle
Halle (Saale) - Die Sendung ist ein Phänomen in der deutschen Fernsehlandschaft – und mittlerweile Kult. Seit nunmehr drei Jahrzehnten läuft „Kunst und Krempel“ im Bayerischen Fernsehen. Das Format wurde zu einem der erfolgreichsten des Senders überhaupt. Sonntags zwischen 19.45 und 20.15 Uhr lockt die populäre öffentlich-rechtliche Antiquitätenberatung immerhin mehr als eine Million Zuschauer vor die Bildschirme, und das in Idealkonkurrenz mit Top-Spielen der Bundesliga und Tagesschau. Inmitten der Quotenhatz um die grellsten Effekte, die bizarrsten Shows kommt „Kunst und Krempel“ ohne Musik, ohne hektische Kameraschnitte aus und läuft wie ein Stück heiles Fernsehen von gestern nach einem vergleichsweise simplen Konzept: Kunstexperten treffen in einer passenden Umgebung – Museum, Kloster, Schloss – mit Menschen zusammen, die ein Kunstwerk besitzen und es bewertet haben möchten. Als „Stars“ stehen die Dinge aus den Schatullen und auf dem Samttablett im Mittelpunkt. Wobei einige der Damen und Herren aus dem Expertenpool inzwischen selbst zu Publikumslieblingen geworden sind.
Eine Prise Exzentrik
An der Spitze der Zuschauergunst liegt bei Umfragen regelmäßig Carl Luwig Fuchs. Der promovierte Kunsthistoriker ist schon seit 1993 dabei. Mit Charme, Humor, enormem Hintergrundwissen und scharfem Sachverstand, der mit den vorgelegten Pretiosen um die Wette zu funkeln scheint, nicht zuletzt einer Prise Exzentrik trägt der bekennende Brillantbroschenträger nicht wenig dazu bei, die Sendung zum amüsanten Kunstseminar zu machen. Wie nebenbei wird dem Zuschauer dabei auch noch ein Stück Wissen in Geschichte und Gesellschaftskunde vermittelt. „Das macht wohl wesentlich den Erfolg der Sendung aus“, befindet Carl Ludwig Fuchs, „wie auch ein gewisser Wiedererkennungseffekt. Viele Menschen haben ja selbst alte Dinge daheim. Ob geerbt, gesammelt oder vom Flohmarkt. Irgend etwas besitzt fast jeder. Ein Bild, eine alte Kommode oder den Ring von der Großmutter. Und wenn dann so etwas Ähnliches in der Sendung auftaucht, kann man vergleichen, fühlt sich angesprochen. Das wirkt wie eine persönliche Verbindung zwischen Wohnzimmer und Fernsehstudio.“
Das Interessanteste dabei seien die Geschichten hinter den Stücken. „Oftmals sind sie mit bewegenden Schicksalen verbunden. So erfährt man etwas über die Menschen, die diese Sachen erschaffen und in Gebrauch hatten, die Zeit, in der sie lebten.“ Im Laufe unzähliger Sendungen hat der Experte so manche Story gehört. „Das sind manchmal richtige Krimis“ über die der agile, jugendliche Siebziger so leb- wie bildhaft erzählen kann.
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Wie die Geschichte jener Dame, die mit einem juwelenbesetzten Goldcollier in der Sendung auftauchte. „Von 1880 sei das, eine echte Antiquität. Nachzuweisen auf einem alten Foto, auf dem eine Tante die Kette trägt. Das habe sie aber leider vergessen mitzubringen.“ Der unbestechliche Blick vom Schmuckexperten brachte es jedoch klar an den Tag: „Das war eine Händlerin, die das keineswegs historische Stück gerade gekauft und teuer wiederverkauft hatte. Sie wollte sich so eine Expertise für die Fälschung erschleichen“, erinnert sich Carl Ludwig Fuchs mit dem zufriedenen Lächeln des Spezialisten, den man nicht so leicht hinters Licht führen kann. Wobei die Auswahl der Stücke, die es überhaupt vor die Kamera schaffen, in Blitzesschnelle erfolgt. Nur eine knappe Stunde vor der Sendung bleibt den Experten Zeit, um von etwa 40 bis 60 hoffnungsvollen Teilnehmern diejenigen Stücke herauszusuchen, die interessant erscheinen wegen ihrer Seltenheit, der Bedeutung für eine Epoche, wegen des Materials oder der Verarbeitung. „Vor der Kamera nehme ich dann das Stück das erste Mal tatsächlich in die Hand“ – dann fällt die Entscheidung, ob es Kunst oder eben doch nur Krempel ist. Manches erweist sich als wirkliche Kostbarkeit.
Freudentränen vor laufender Kamera
„Einmal kam ein Ehepaar mit einem goldfarbenen Netzbeutelchen. Einst für zwei Mark auf dem Flohmarkt erstanden. Das stellte sich als echte Rarität heraus. Ein Ringbeutelchen, wie es einst Damen am Finger trugen beim Ball, gefüllt mit Geld oder einem Parfümflakon. Das hier war aus purem Gold und geschätzte 2 000 Euro wert.“ In solchen Fällen käme es schon mal zu Freudentränen vor laufender Kamera. Aber es gibt auch enttäuschte Gesichter, wenn sich die „antiken“ Ohrringe dann doch nur als Repliken aus Messing und Glas erweisen. „Wenn der „Schatz“ keiner ist, versuche ich das möglichst tröstlich zu formulieren. Es geht den Leuten ja meist auch nicht so um den materiellen Wert. Der liegt doch eher im Maß der Zuneigung, den Erinnerungen, die an einem Stück hängen.“
Erinnerungen sind es auch, die Carl Ludwig Fuchs zu seiner Profession und zurück in die heimatliche Region gebracht haben. Wir treffen ihn in Dessau, im Palais Minckwitz. Das einzige vollständig erhaltene Barockgebäude der Stadt hat Fuchs vor einigen Jahren erworben und mit seinem Ersparten restaurieren lassen; jetzt wohnt er hier. Geboren und aufgewachsen ist er in einem großen Haus und mit einer langen Geschichte, die leicht für einen Roman taugen würde. „Meine Mutter entstammt dem Geschlecht der Ritter von Isenburg, die waren seit 1239 in Aken ansässig.“ Carl Ludwig Fuchs seinerseits zählt Fürst Leopold I. zu seinen Vorfahren. Der legendäre „Alte Dessauer“ hatte ein Kind mit einem bürgerlichen Mädchen. Die wurde verheiratet mit einem Mann, der Leopolds Kind wie sein eigenes aufzog. Zugabe für das Arrangement dieser Quasi-Nebenlinie war das Palais Minckwitz. „Dass ich hier tatsächlich zu meinen Ursprüngen zurückgekommen bin, habe ich allerdings erst nach dem Kauf des Hauses erfahren“, staunt der Hausherr noch heute über diese Kapriole des Schicksals.
Flucht in den Westen
Das Geburtshaus in Aken konnte er nicht zurück erwerben. „Dort habe ich eine glückliche Kindheit erlebt. Die DDR, dass es nicht alles gab, das war nicht bedrückend. Ich kannte ja nichts anderes. Für mich war das die heile Welt.“ So lange, bis dem Vater im Zusammenhang mit den Volksprotesten vom 17. Juni 1953 die Verhaftung drohte. Er floh in den Westen, die Familie folgte. „Geblieben ist ein ewiges Heimweh. Bis zur Wende bin ich jedes Jahr nach Aken gefahren“, bekennt Carl Ludwig Fuchs. Die Erinnerung an das Zuhause mit den schönen alten Möbeln, den Gemälden, Porzellan und Silber hat auch sein Kunstgeschichtsstudium bestimmt. „Aus dem Verlust all dessen ist mein Interesse für Antiquitäten entstanden.“
Die besondere Passion für Schmuck hat ihm eine Tante mitgegeben, die als ehemalige Hofdame am Zarenhof über eine reiche Auswahl an Pretiosen verfügte und sie gerne vorführte. Daher rührt auch seine besondere Liebe zu Brillanten, buchstäblich „gekrönt“ durch die Herausgabe des Bildbandes „Die Diamanten der Queen“. Fuchs war in leitender Stellung beim Kurpfälzischen Museum in Heidelberg, machte sich zugleich um die Rekonstruktion von Schlössern und deren Einrichtung verdient. Seit der Rückkehr in die Heimat engagiert sich der geschiedene Vater einer Tochter, der inzwischen mit einem Freund zusammenlebt, in der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz bei der Neueinrichtung von Schloss Mosigkau und im Luisium.
Demnächst wird er wieder vor der Kamera stehen. Im Mai im Schloss Schleißheim, im Oktober im Gothaer Schloss Friedenstein und entscheiden, was auf dem Tisch liegt: Top oder Flop, Kunst oder Krempel. (mz)
H.Roberts/C.L.Fuchs „Die Diamanten der Queen“, Gerstenberg Verlag, 100 Euro Mehr Informationen unter:www.br.de/kunstundkrempel