Tournee 2015 abgesagt Tournee 2015 abgesagt: Mindestlohn macht Zirkus Probst Strich durch die Rechnung

Magdeburg - Noch bis zum 9. November läuft die Show in der Manege am Messeplatz in Magdeburg, alles klappt bestens. Hinter Andreas Bleßmann liegen dennoch schlaflose Nächte. Der Geschäftsführer von Zirkus Probst mit Sitz in Staßfurt (Salzlandkreis) kann es drehen und wenden wie er will. Mit Blick auf das Jahr 2015 gehe die Rechnung für die Nummer eins unter den ostdeutschen Zirkusunternehmen nicht mehr auf: „Wir blasen die nächste Tournee ab, so leid es uns tut.“ Und das, obwohl Probst 2015 sein 70-jähriges Bestehen feiert. Schuld trägt laut Bleßmann das Mindestlohn-Gesetz. Dessen Festlegungen bescherten der Branche einen Tod auf Raten.
Während im blauen Chapiteau die Raubkatzen-Dressur die Zuschauer in Atem hält, sitzt Bleßmann mit spitzem Stift im Kassenwagen. Die Eintrittspreise je Ticket liegen zwischen elf und 26 Euro. Damit könne der Zirkus laut Bleßmann unmöglich erwirtschaften, was künftig gesetzlich vorgeschrieben sei.
Erstens: ein Stundenlohn von 8,50 Euro. Derzeit gibt es keinen festen Satz. Der Arbeitstag beginnt um sieben Uhr und endet mit Unterbrechungen gegen 22 Uhr. Zweitens: Zuschläge für die in diesem Gewerbe übliche Arbeit an Wochenenden - samstags 50 Prozent, sonntags 100 Prozent. Drittens: Weil laut Gesetz jede Arbeitsstunde dokumentiert werden müsse, so Bleßmann, wachse den 80 Zirkusleuten die Bürokratie nun endgültig über den Kopf. Ob zusätzlicher Buchhalter oder Stechkartensystem - alles treibe die Kosten weiter in die Höhe.
Im Moment deutet nichts darauf hin, dass die Existenzgefahr noch abgewendet werden kann. Das Bundesarbeitsministerium teilt lediglich mit: „Der Mindestlohn kommt wie beschlossen zum 1. Januar.“ Stellungnahmen zu Einzelfällen wie Zirkus Probst gebe man grundsätzlich nicht ab. Selbst eine Begegnung zwischen Spitzenvertretern des Deutschen Schaustellerverbandes, der Probst und Co. vertritt, und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will der Ministeriumssprecher nicht bestätigen. Dass es stattgefunden hat, aber in der Sache ohne Ergebnis geblieben sei, sagt dafür Karl Welte vom Schaustellerverband Sachsen-Anhalt, der 65 Mitglieder vereint. Der Unternehmer, der seinen Fahrbetrieb in der fünften Generation führt, ist entsetzt. Seine Meinung über das Gesetz: „Hier waren Leute am Werk, die von der Praxis keine Ahnung haben.“ Nun sieht der Verbandsvertreter eine Pleitewelle nahen. Welte: „Die Volksfeste werden an Attraktivität verlieren.“ Angesichts des Mindestlohn-Gesetzes vergeht Clown PomPom das Lachen. Nach 20 Jahren bei Probst endet das Gastspiel des ungarischen Publikumslieblings Laszlo Szabo. Er ist ratlos wie Zirkus-Inhaber und Dompteur Rüdiger Probst, der sich aber vorerst nicht von seinen acht Tigern trennen will. Andere der insgesamt 120 Zirkustiere werden verkauft. Vielleicht ist der Weihnachtszirkus im Winterquartier schon der letzte Auftritt. (mz)
