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Tod am Pik Lenin Tod am Pik Lenin: Tragödie vor dem Gipfelsturm

Von Jan Wätzold 27.08.2003, 18:34

Halle/Bishkek/MZ. - Einen 7000-er wollte er besteigen. Doch wer dabei sofort dachte: "Das ist doch Wahnsinn", konnte Christian Podhaisky noch nicht lange kennen. Denn als der Hallenser Anfang dieses Jahres ankündigte, den Hochsommer im kirgisischen Hochgebirge verbringen zu wollen, war das für alte Bekannte fast Routine. Mancher, den schon der Aufstieg zur Wohnung aus der Puste bringt, fragte gar frech: "Wieder einen 7000-er, ist das nicht langweilig?"

Über nett gemeinte Provokationen wie diese konnte der Slawistik-Student stets herzlich lachen. Denn Langeweile, das wusste der durchtrainierte Gipfelstürmer inzwischen, Langeweile würde bei diesem Hobby niemals aufkommen. Egal ob er nun gerade im Elbsandstein kletterte oder gemeinsam mit Thomas Piontek, seinem besten Freund, dem Pik Lenin im kirgisisch-tadschikischen Grenzgebiet zu Leibe rückte.

Seit sechs Jahren schon waren die Beiden die höchsten Gipfel der ehemaligen Sowjetunion hinauf und wieder hinunter gekraxelt. Und für Abwechslung waren nicht nur die Einheimischen zuständig gewesen, die Podhaisky und Piontek längst in ihre Herzen geschlossen hatten. "Die Jungs waren immer bemüht, keine ausgetretenen Pfade zu benutzen", so ein Bekannter des Alpinisten-Duos. Jede Tour gen Himmel sei praktisch wie eine Erstbesteigung gewesen. "Da war auch eine Menge Ehrgeiz im Spiel."

Ehrgeiz ja, Leichtsinn nein. In der Bergsteiger-Szene Sachsen-Anhalts genießen Podhaisky und Piontek einen ebenso guten Ruf wie bei Freunden und Kommilitonen. Weil sie hart trainieren und dennoch besonnen und nett durchs Leben gehen.

Und so sind es am Ende wieder Dutzende Leute, die den Kletterern Anfang Juli alles Gute für den nächsten 7000-er wünschen. Mitte des Monats fliegen die Hallenser mit zwei Magdeburgern nach Bishkek - Kirgisiens Hauptstadt, die zu Zeiten der Sowjetunion Frunse geheißen hatte. Christian Podhaiskys Freundin ist auch mit an Bord. Die junge Frau - das steht von Anfang an fest - wird nicht mit auf die schweren Touren gehen.

Schwer bedeutet auch für gesunde Mitteleuropäer jeder Felsen, der höher ist als Brocken oder Fichtelberg. Die vier Sachsen-Anhalter haben sich allerdings zum Klimatisieren zunächst zwei Berge ausgesucht, die mehr als viermal so hoch sind wie die Gipfel von Harz und Thüringer Wald. Doch für die Profis, die jedes Jahr sechs Wochen im asiatischen Hochgebirge verbringen, ist es eigentlich nicht mehr als eine Erwärmung.

Eigentlich. Denn während das Quartett am Samstag, den 17. August, bereits wieder beim Abstieg vom "Probetraining" ist, geschieht das Unglück. Einer aus der Seilschaft rutscht aus, Christian Podhaisky stürzt auf einen Felsvorsprung und bricht sich ein Bein. Was dann passiert, ist noch unklar. Fest scheint aber zu stehen, dass Thomas Piontek gemeinsam mit den beiden Magdeburgern versucht, den 29-jährigen Freund auf eigene Faust zu bergen. In Kirgisien kann es Tage dauern, bis professionelle Helfer zur Stelle sind.

Doch der Rettungsversuch der Seilschaft endet tragisch. Noch bevor sie ihn auf sicheren Grund bringen können, stürzt der Verletzte noch einmal ab. Die Felswand geht an der Unglücksstelle 1000 Meter in die Tiefe. Niemand überlebt einen solchen Fall, meinen die kirgisischen Behörden. Auch der Suche nach der Leiche räumen die Einheimischen nur geringe Erfolgsaussichten ein. Die Eltern und die beiden Brüder sind dennoch nach Kirgisien geflogen, um Christian Podhaisky nach Hause zu holen.