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Tipp vom Baggerfahrer

Von Hendrik Kranert-Rydzy 25.10.2011, 18:59

Beuna/Magdeburg/MZ. - Ein entlassener Baggerfahrer soll es gewesen sein, dessen Strafanzeige ein weiteres Kapitel im sachsen-anhaltischen Müllskandal aufschlug: Im zeitigen Frühjahr informierte der Mann das zuständige Polizeirevier Saalekreis darüber, dass auch im Restloch des Braunkohletagebaus Beuna südwestlich von Merseburg illegal Müll entsorgt worden sei.

Proben alarmierend

Gestern nun bestätigte die für Wirtschaft- und Umweltdelikte zuständige Staatsanwältin Heike Gey

er auf MZ-Anfrage, dass "die Anzeige einer Privatperson" in der Tat den Anstoß für ein Ermittlungsverfahren gegeben habe. Dass die Strafanzeige nicht aus der Luft gegriffen war, ergaben nun Untersuchungen des Landesamtes für Umweltschutz. Die Behörde war nach MZ-Informationen auf Bitte der Staatsanwaltschaft tätig geworden und hatte vor einem Monat Proben auf dem Gelände des ehemaligen Tagebaus gezogen. Die Grube, bislang unter Bergaufsicht des Braunkohlesanieres LMBV, gilt inzwischen als rekultiviert. Auf dem Gelände steht heute ein Recyclingpark, auf dem auch die für die Sanierung des Tagebaus zuständige Mitteldeutsche Umwelt- und Entsorgungsgesellschaft (MUEG) eine Zweigstelle betreibt. Die Probenergebnisse sind nach Ansicht der Experten alarmierend: Es handele sich um "hausmüllähnliches Material mit erheblicher Schadstoffbelastung". Da Beuna - im Gegensatz zu den mit Müll verfüllten Tongruben Vehlitz und Möckern - nicht zum Grundwasserspiegel hin abgedichtet ist, drohen die Schadstoffe über kurz oder lang ins Grundwasser zu gelangen. "Das Zeug muss daher raus", heißt es im Landesamt. Nach Angaben desWirtschaftsministeriums sei damit bereits begonnen worden. Als Tatverdächtige gelten laut Staatsanwältin Geyer die beiden Geschäftsführer der MUEG, Ulf L. und Andreas G. Dabei gilt das Unternehmen, eine Tochter des Entsorgungsmultis Remondis und der Mitteldeutschen Braunkohle AG Mibrag, bislang als Vorzeigebetrieb. "Wir sind überrascht, dass die MUEG da mit hineingeraten ist", sagte die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums, Beate Hagen. Immerhin sei der Betrieb als vorbildlich arbeitend zertifiziert. Und erst vor knapp einem Jahr stattete Umweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU) dem Standort Beu

na einen Besuch ab. Im dortigen Recyclingpark ließ sich Aeikens die experimentelle Herstellung von Pflastersteinen aus Braunkohle

asche erläutern.

Wenige Meter weiter wurde der Begriff Recycling offenbar über die gesetzlichen Vorgaben hinaus gedehnt: Gemischt mit Asche wurde in einem Böschungsrand vor allem Plastikmüll vergraben. Offenbar unmittelbar nachdem in Deutschland im Jahr 2005 das Verbot in Kraft trat, wonach unbehandelter Müll nicht mehr deponiert werden darf und stattdessen verbrannt oder kompostiert werden muss. Die Kosten dafür sind etwa doppelt so hoch wie die illegale Entsorgung. Die Behörden gehen davon aus, dass allein in Sachsen-Anhalt seit 2005 etwa zwei Millionen Tonnen Müll illegal entsorgt wurden.

Firma schweigt

Ersten vorsichtigen Schätzungen zufolge kommen in Beuna noch einmal 15

000 Kubikmeter hinzu. Das Ministerium machte dazu keine Angaben. Warum der Müll bei den in den Jahren 2009, 2010 und 2011 angeblich vom Bergamt vorgenommenen Kontrollen nicht entdeckt wurde, blieb ebenfalls unklar. Die MUEG reagierte gestern nicht auf Anfragen. Auf der Internetseite der Firma heißt es jedoch: "Die Sanierung erfolgt ausschließlich mit mineralischen Reststoffen." Den Eintrag muss man wohl nun entfernen.