Thüringen Thüringen: Playmobil kommt aus Greiz

greiz - Der Hofstaat hat sich vor der großen Ritterburg zum Turnier versammelt, der König mit Frau und Thronfolger unter einem Baldachin Platz genommen. Doch der blaue Ritter hat heute kein Glück und wird von seinem Widersacher mit der Lanze vom Pferd gestoßen.
Es ist keines der schon vor Jahren in Mode gekommenen Mittelalterspektakel, das im Oberen Schloss der Stadt Greiz (Thüringen) ausgetragen wird. Vielmehr bevölkern zig kleine Kunststoff-Figuren - Kindern als Playmobil bekannt - in den kommenden Monaten die Greizer Residenzen. Ihrem „Vater“, dem gebürtigen Greizer Hans Beck (1929-2009), widmet die Stadt jetzt eine umfangreiche Schau und entführt Groß und Klein ab diesen Sonntag in die „Spielzeugträume Playmobil“.
Beck, 1929 in Greiz geboren und dort aufgewachsen, war gelernter Möbeltischler und begeisterter Modellbauer. 1948 sollte er gegen seinen Willen für den Uranbergbau verpflichtet werden und floh deswegen in den Westen. Zehn Jahre später wurde er Mustermacher bei der Spielzeugfirma geobra Brandstätter in Zirndorf bei Nürnberg - damals europäischer Marktführer für Hula-Hoop-Reifen.
Als die Geschäfte Anfang der 70er-Jahre in Schwierigkeiten gerieten, erhielt er den Auftrag, ein Systemspielzeug zu entwickeln - die Geburtsstunde der freundlich dreinblickenden, 7,5 Zentimeter großen Männchen aus Plastik. 1974 kamen sie auf den Markt. Inzwischen gibt es nach Firmenangaben mehr als 4 600 Varianten, und gut 2,8 Milliarden solcher Figuren bewohnen Kinderzimmer in aller Welt.
Solche frühen Figuren sind auch in der Ausstellung in Greiz zu sehen - vergleichsweise blass wirken die Ritter, Indianer und Bauarbeiter aus den Anfangsjahren. Darüber hinaus sind komplexe Dioramen in die einst fürstlichen Gemächer eingezogen, die jeweils eigene Geschichten erzählen: Jahrmarkt- und Strandszenen ebenso wie höfische Festtafeln und der Besuch der englischen Königin.
Museumsleiter Rainer Koch spricht von etwa 40 Themenwelten. Teils hat das Museum die Vitrinen mit historischen Objekten wie einer Pickelhaube oder Porzellan thematisch ergänzt. Und die Besucher dürfen an separaten Tischen selbst ihrem Spieltrieb folgen. Koch: „Das Obere und das Untere Schloss werden für diese Ausstellung zu Spielschlössern.“
Zwar steht Playmobil ganz klar im Mittelpunkt der Ausstellung, doch angerissen werden auch andere Tätigkeiten Becks - etwa in Form seiner Intarsienarbeiten oder Puzzle, die er für seine Geschwister geschaffen hat. Auch sein Neffe kommt zu Wort. Er berichtet, wie sein Onkel aus dem Westen alljährlich nach Greiz zu Besuch kam. Die Kinder der Familie wurden dann zu Testspielern für neue Kreationen.
Denn Playmobil gab es in der DDR nicht zu kaufen. „Ich hatte einen Freund, der sehr viel Playmobil von Verwandten aus dem Westen hatte“, erinnert sich Museumsleiter Koch an seine ersten Begegnungen mit den Kunststoffmännchen. Die Begeisterung ist bis heute geblieben, so dass er sie nun ins Museum geholt hat. Koch: „Nach meinem Wissen ist das die erste museale Playmobil-Ausstellung in den neuen Bundesländern.“ (dpa)
Die Ausstellung läuft bis zum 3. April 2016 und ist von dienstags bis sonntags von 10-17 Uhr geöffnet