Thüringen Thüringen: Eine Nacht mit einem unbekannten Adligen

Sondershausen/Weimar/ddp. - Die erste Nacht nach derEntdeckung campierte Sybille Jahn direkt neben dem Grab desunbekannten Edelmanns. Zu wertvoll schienen ihr seine Grabbeigaben,als dass sie die Relikte längst vergangener Jahrhunderteunbeaufsichtigt lassen wollte. «Die vielen Touristen auf demFrauenberg hätten Grabräuber wahrscheinlich sowieso abgeschreckt,aber es war sicherer, selbst Wache zu halten», betont dieGrabungsleiterin. Dass der etwa 75-teilige Fund aus der Epoche derMerowinger historische Brisanz besitzt, bestätigte umgehend die kurzeZeit später alarmierte Bergungsmannschaft des Landesamtes fürDenkmalpflege und Archäologie.
Schon früh am Morgen des 1. Juli sei das von ihr geleiteteGrabungsteam bei Jechaburg bei der Rekonstruktion einesKirchengrundrisses auf den ungewöhnlichen Fund gestoßen. Behutsam mitden bloßen Händen und Pinseln hätten sie die Objekte sukzessivefreigelegt. «Die silbernen Beschläge und Nieten an den Schwerternwaren eindeutige Hinweise, dass es sich hier um das Grab einesAdligen handelt», sagt Jahn.
Seitdem begeistert der am Mittwoch erstmals der Öffentlichkeitvorgestellte Fund Thüringer Archäologen. Es handle sich bei dem Grabum den ersten archäologischen Nachweis der Oberschicht des frühenMittelalters im nordöstlichen Randbereich des damaligenostfränkischen Reiches, hebt der Sprecher des Landesamtes, DiethardWalter, hervor. Deshalb sei der Fund «einmalig in Thüringen».
Bei dem Grab handelt es sich um die letzte Ruhestätte eines 25 bis30 Jahre alten Mannes. In der Grabstelle fanden die Archäologenkostbare Stücke, unter anderem ein Kurzschwert, dessen Scheide mitSilber beschlagen war, silberne und goldene Wadenbänder, einLangschwert, einen Schild, Lanzenspitzen und ein Klappmesser. Diesseien klare Hinweise auf die adlige Herkunft des Toten.
Woran der mit einer Körpergröße von 1,75 bis 1,80 Meter für dasfrühe Mittelalter stattliche Mann gestorben ist, können dieWissenschaftler noch nicht mit Sicherheit sagen. Sie vermuten jedocheinen natürlichen Tod angesichts der für die Zeit üblichen geringenLebenserwartung. Aufschluss darüber könnten nur eine genaue Analyseseiner Knochen sowie eine Untersuchung der teilweise schlechterhaltenen Objekte geben, erklärt Restaurator Jörg Hägele.
Hägele zufolge wurden nach der Ausgrabung zunächst unter anderemdie Schwerter vorsichtig verpackt, um zu verhindern, dass sie auf demWeg ins Weimarer Landesamt in mehrere Teile zerfallen. »Bevor wiralles in Ruhe begutachten, wird der Fund erst einmal tiefgefroren, umdem Zerfall vorzubeugen.« Momentan habe das Landesamt nicht dieKapazitäten, mit einer sofortigen Auswertung zu beginnen. Bisherseien die größeren, mehr als ein Jahrtausend alten Teile nur flüchtiggeröntgt worden, um einen Eindruck von ihrer Struktur zu erhalten,sagt Hägele.
Die Archäologen schließen nicht aus, dass es weitere Gräber imUmfeld des Fundes gibt. Möglicherweise sei das Grab Teil eineradligen Grabeskirche gewesen. Für weitere Erkenntnisse seienzusätzliche Grabungen nötig. Um die Finanzierung eines entsprechendenProjektes werde sich das Landesamt nun bemühen, sagt AmtssprecherWalter.
Bis zu einer Ausstellung der Stücke wird noch einige Zeitvergehen. Die Restaurierung dauert den Angaben zufolge mindestens einJahr.