Sumpf in Sachsen Sumpf in Sachsen: Acht Fragen und Antworten
Halle/MZ. - Wann muss der Verfassungsschutz Informationen an die Staatsanwaltschaft weiterleiten?
Das sächsische Verfassungsschutzgesetz zählt Delikte auf, bei denen Informationen an die Justiz fließen müssen: Mord, schwere Körperverletzungen, schwere Eigentums- und Vermögensschädigungen sowie Staatsschutzdelikte wie zum Beispiel Spionage.
Warum ist die Weitergabepflicht so eng begrenzt?
Die Aufklärung von Straftaten ist Aufgabe der Polizei. Der Verfassungsschutz ist nicht ihr Hilfsorgan. Er soll Gefährdungen für den Staat und unsere Freiheit im Vorfeld aufspüren. Wenn er seine Erkenntnisse stets an die Polizei weitergäbe, würden jedes Mal seine Spitzel gefährdet, deshalb ist die Pflicht zur Teilung der Informationen begrenzt. Außerdem sollen Verfassungsschutz und Polizei auch im Interesse der Bürger nicht allzu eng zusammenarbeiten. Die Alliierten haben nach dem Krieg deshalb eine organisatorische Trennung von Polizei und Geheimdiensten verlangt.
Fallen die Delikte, die angeblich in den Akten des Verfassungsschutzes beschrieben werden, unter diese Mitteilungspflicht?
Nur teilweise. Kinderprostitution dürfte wegen der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit erfasst sein, Untreue zu Lasten des Landes als Vermögensdelikt auch - wenn es um große Summen geht. Aber andere Amtsdelikte wie Bestechlichkeit oder Strafvereitelung, die in den Akten eine große Rolle spielen, fallen nicht unter die Weitergabepflicht. Hier kann der Verfassungsschutz frei entscheiden, ob er die Akten an die Staatsanwaltschaft weitergibt, falls diese sie für "Zwecke der öffentlichen Sicherheit" brauchen kann.
Hat der sächsische Verfassungsschutz seine Weitergabepflicht erfüllt?
Der Verfassungsschutz muss laut Gesetz Informationen weitergeben, wenn dies zur Verfolgung der aufgezählten Delikte "erforderlich ist". Konkrete Fristen werden nicht genannt, also ist von einer schnellen Weitergabe auszugehen. In Sachsen zieht sich die Weitergabe schon über zwei Jahre hin. Das ist sicher nicht im Sinne des Gesetzes.
Wer ist für diese Zögerlichkeit verantwortlich?
Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo verweist darauf, dass der Verfassungsschutz selbst über die Weitergabe von Akten an die Staatsanwaltschaft zu entscheiden hat. In Sachsen war die Situation allerdings nicht so einfach. Der Datenschutzbeauftragte war und ist der Auffassung, dass die Informationen gelöscht werden müssen und nicht an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden dürfen. Die Landesregierung hält eine Weitergabe für zulässig. Der Streit zieht sich schon ein Jahr hin.
Warum lehnt der Datenschutzbeauftragte eine Weitergabe der Akten an die Staatsanwaltschaft ab?
Das sächsische Verfassungsgericht hat 2005 entschieden, dass der Verfassungsschutz die Organisierte Kriminalität (OK) nur beobachten darf, wenn sie die Ordnung des Staates bedroht. Der Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig glaubt, dass keiner der fünf vom Verfassungsschutz beobachteten OK-Komplexe diese Anforderung erfüllt, deshalb müssten alle Daten sofort gelöscht werden. Der frühere Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hielt dagegen die Erforschung aller fünf Komplexe für rechtmäßig. Die parlamentarische Geheimdienst-Kontrollkommission Sachsens entschied im Frühjahr, dass vier von fünf Aktenkomplexen rechtmäßig gesammelt wurden und weitergabefähig sind.
Hat sich nicht Generalbundesanwältin Monika Harms für unzuständig erklärt, weil die Grundordnung des Staates in Sachsen nicht bedroht sei?
Stimmt. Hier passen die Sichtweisen im Bund und in Sachsen nicht zusammen. Entweder Harms spielt die Sache unzulässig herunter, weil sie keine Zeit und Lust hat, dem sächsischen Sumpf zu durchleuchten. Oder in Sachsen wird unnötig dramatisiert. Die Konservativen könnten so versuchen, nachträglich die Informationssammlung des Verfassungsschutzes zu rechtfertigen. Und die Linken wollen unbedingt in die Akten schauen, um vielleicht noch einen Skandal der Regierung aufzudecken.
Werden die Akten jetzt vollständig an die sächsische Generalstaatsanwaltschaft weitergegeben?
Der Verfassungsschutz sortiert derzeit, was er weitergeben will und was nicht. Wenn "überwiegende Sicherheitsinteressen" dies erfordern, muss trotz Weitergabepflicht die Staatsanwaltschaft nicht informiert werden. Als milderes Mittel können dann wohl auch Akten teilweise geschwärzt werden, zum Beispiel um Informanten zu schützen. Teilweise wurden auch schon Akten gelöscht, was vom Verfassungsschutz als Missverständnis bezeichnet wurde.