Sportschule Osterburg Sportschule Osterburg: Der Klotz am Bein
OSTERBURG/HALLE/MZ. - Weit und breit flaches Land, von Magdeburg aus geht es eine gute Stunde über die Bundesstraße gen Norden, ehe das Schild am Ortsrand von Osterburg zur Landessportschule weist. Mitten in der Altmark, vom Stadtzentrum zwei bis drei Kilometer entfernt. Hier, sagt mancher, gibt es nicht viel Ablenkung vom Sport.
Doch so abgelegen das Gelände mit seinen modernen Gebäuden und Anlagen für nahezu jede Sportart liegt: In der Debatte über Finanzprobleme beim Landessportbund (LSB) steht es im Zentrum. Der Kritik. Davon spüren die 174 Lehrlinge und Betreuer des Energieversorgers Envia-M nichts, die sich zu Beginn der Ausbildung bei Volleyball, Tischtennis oder Kraftsport kennen lernen. Frank Falkner (41) umso mehr. Seit Oktober 2009 ist er Leiter der Schule. Dort, sagt er, mache sich Frust breit über das öffentliche Bild als Schuldenproblem, das alles in die Tiefe reiße. "Das Wort Betriebsoptimierung habe ich hassen gelernt", so Falkner. Beim Babyschwimmen werde das Wasser nicht mehr auf ideale 30 Grad erwärmt. Wasserzusätze werden selbst gemischt, Lampen peu à peu überall ausgetauscht. "Wir sparen." Die Gaststätte kann mangels Personal nur noch selten öffnen. Mit 28 Angestellten "sind wir hart an der Grenze", so Falkner.
In Halle sitzt Andreas Silbersack angriffslustig am Schreibtisch seiner Anwaltskanzlei. Den Landessportbund-Präsidenten stören vehemente Vorwürfe der Politik, der LSB schludere immer noch mit seinen Finanzen. "Ich weiß nicht, was das soll. Unsere Zahlen liegen offen auf dem Tisch. Seit zwei Jahren betreiben wir Konsolidierung, alles, was in unserer Macht steht - immer unter Kontrolle des Sozialministeriums", sagt er. Doch Altlasten, die die alte LSB-Führung bis 2008 aufhäufte, ließen sich nicht von heut auf morgen abtragen.
"Das aktuelle Problem ist allein die Landessportschule. Der LSB soll erklären, warum dort trotz gestiegener Übernachtungszahlen kein ausgeglichenes Ergebnis erzielt wird", sagt Holger Paech, Sprecher des Ministeriums. Obwohl 2010 laut Prognose 30 000 Übernachtungen, etwa 5 000 mehr als im Vorjahr, zu Buche stehen, beträgt die Finanzierungslücke 316 048 Euro. "Die bekannten Altlasten fressen uns auf", sagt Silbersack. 443 382 Euro verschlinge die Tilgung von Krediten und Zinsen für Osterburg. Noch vier Millionen sind bis 2027 abzuzahlen. Vor allem, weil vom LSB ein zweites Bettenhaus gebaut wurde. Nach 2008, ohne ausdrückliche Bewilligung der Politik. 284 553 Euro fallen dafür jährlich an. Das Haus habe im Rohbau gestanden, als die alte LSB-Führung ging. "Wir haben es fertiggestellt, um nicht mit einer Invest-Ruine das Bild zu verschandeln."
Frank Falkner steht vor dem neuen Bettenhaus mit 32 Zimmern, die im Moment ausgelastet sind. Und sagt: "Wir bräuchten eine weitere Sporthalle." Wie bitte?! Im Winter, erklärt er, wenn Außenanlagen nicht genutzt werden, ist die "alte" schnell blockiert. Ohne Sportmöglichkeit aber sind die zusätzlichen Betten für die Katz, fressen nur Betriebskosten. Auch wochentags gibt es außerhalb von Ferien Auslastungssorgen. "Wir werben verstärkt an Schulen", so Falkner. Und bei Senioren. Zu 57 Prozent ist das Sport-Hotel - klassischen Schulbetrieb gibt es nicht - im Jahresschnitt belegt. "Nochmal 6 000 Übernachtungen mehr und wir wären der Kostendeckung ein Stück näher." Allerdings drängten auch andere Probleme. Tartanplätze hätten Risse, bei der Laufbahn sei die Verschleißschicht abgetragen, Rasenplätze müssten saniert werden. "Der letzte Winter hat viel kaputtgemacht", so Falkner. Rücklagen gibt es nicht. Aber "nach zehn Jahren Investitionsbedarf."
Die Preise indes sind trotz Finanzmisere moderat. Tagesgäste konnten Sportstätten gar kostenlos nutzen. "Wir sind seit diesem Jahr dabei, sie an Betriebskosten zu beteiligen", räumt Neu-Chef Falkner ein. Übernachtungspreise sollen ab 2011 leicht angehoben werden. "Die Frage ist, wie weit Kunden da mitmachen. Selbst große Vereine und Verbände rechnen ja heute."
Und Osterburg verkaufen? "Wer nimmt denn diesen Klotz?", fragt LSB-Chef Silbersack. Das Land habe sich einst dafür entschieden, die Sportschule zu bauen, weil es eine solche braucht. Dafür habe es Millionen gegeben. "Jetzt gilt es, die Schulden mit abzuzahlen, auch wenn es bitter ist." Ginge Osterburg an Banken, müsste das Land, wenn es die Schule erhalten will, "sie quasi noch einmal bezahlen", so Silbersack. In der Tat: "Die Sportschule war politisch gewollt. Die Mittel standen immer im Landeshaushalt", sagt Ministeriumssprecher Paech. Bis zur Eröffnung 2001 seien 20 Millionen Euro investiert worden, 12,6 vom Land, sechs durch Fördermaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit.
Was spräche gegen eine Insolvenz des LSB? "Dann wäre man scheinbar die Schulden los. Doch wie geht es weiter, wenn das Licht ausgeknipst ist?", fragt Silbersack. Das Land stünde in der Verantwortung. 219 Mitarbeiter des LSB wären von Arbeitslosigkeit bedroht. Man könne einen LSB neu gründen. "Doch dann gehen die Verhandlungen wieder von vorn los." Osterburg sei als Immobilie nicht marktfähig, nur als Sportschule zu betreiben. "Wenn sie jedoch zentraler liegen würde, hätten wir keine Probleme mit der Auslastung."