Sportförderung Sportförderung: Von wegen Luxus
Halle (Saale)/MZ. - Ein Cent billiger als gestern - der Versuchung kann Claudia Malzahn nicht widerstehen. Obwohl der Sprit noch bis Leipzig und auch wieder zurück nach Hause reichen würde, steuert die Hallenserin mit ihrem Renault Clio die Tankstelle an. Voll bis zum Anschlag - damit ist ihre Mobilität bis in den nächsten Monat hinein gesichert. Hin und wieder nutzt die Sportlerin das Fahrrad, um von ihrer Wohnung in Halles Innenstadt zur Judohalle im Randbezirk zu kommen. Der Bundesstützpunkt Leipzig aber, in dem sie oft mit den olympischen Hoffnungen anderer Vereine Mitteldeutschlands die hohe Kunst des Kampfsports pflegt, ist nur mit ihrem geleasten Flitzer zu erreichen.
"Die Spritkosten fressen 250 Euro meines Monatsbudgets", sagt Claudia Malzahn. Viel Geld für einen Vollzeitsportler mit Amateurstatus. Ihren Traum leben kann sie nur dank der Förderung aus öffentlichen Mitteln. Von wegen Luxus: Claudia Malzahn ist ein Beispiel dafür, dass die hinlängliche Meinung, Spitzensportler seien Spitzenverdiener, ein Klischee ist.
Zwei Studien-Abschlüsse
Ihr Pech: Judo gehört - obwohl olympisch - nicht zu den TV- und publikumsträchtigen Sportarten. Private Sponsoren hat sie nicht. Dafür wird die Weltranglisten-Dritte vom Bund und der Deutschen Sporthilfe gefördert. Und Halles Judo-Amazone hat einen Job, der mit ihrer sportlichen Leidenschaft einhergeht. Wenn sie nicht selbst auf der Matte steht, trainiert sie den Nachwuchs. 20 Stunden in der Woche übt die Top-Athletin mit Sportschülern der fünften bis achten Klasse Technik und Taktik. Bezahlt wird die Arbeit als Vollzeit - auch eine Art der Förderung. "Alles in allem werde ich zwar nicht reich, aber ich komme gut über die Runden", sagt die WM-Dritte von 2009.
Wichtig war ihr in den vergangenen Jahren, für die Zeit nach dem Leistungssport vorzusorgen. Deshalb hat Claudia Malzahn zwei Studiengänge absolviert, ist diplomierte Sportwissenschaftlerin und Sportmanagerin. Bafög? Die junge Frau schüttelt den Kopf. "Nein, aber meine Familie hat mich in dieser Zeit sehr gut unterstützt." Außerdem durfte sie eine Wohnung nutzen, für die sie nur die Nebenkosten bestreiten musste. Eine enorme Erleichterung seinerzeit.
Mittlerweile hat sie ihre eigenen vier Wände. Und besagtes Leasing-Auto. Außerdem treibt sie ihre Trainerausbildung voran. Letzten September hat die Athletin einen Lehrgang begonnen, der mit der A-Lizenz abschließt. Kostenpunkt? "Über 500 Euro, die ich aus eigener Tasche bezahle", sagt Claudia Malzahn. Sie sieht das aber als Investition in die Zukunft. Ende Mai sind die schriftlichen Prüfungen. Die muss sie wegen ihres Grand-Slam-Starts in Moskau verschieben.
Dort geht es um Punkte für die Weltrangliste. Und die braucht sie, um nächstes Jahr bei Olympia starten zu dürfen. Versüßen könnte sie sich den Erfolg mit einer Siegprämie. Ein nettes Zubrot wäre es - mehr aber auch nicht. "Das ist Geld, mit dem ich nicht rechnen kann", sagt die 28-Jährige.
Volle Konzentration auf Olympia
Rechnen muss sie aber nun einmal, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Von ihren Einnahmen - insgesamt sind das 2 260 Euro - bleiben abzüglich aller Fixkosten 363 Euro. "Seit Weihnachten", so erzählt die Sportlerin, "zwacke ich davon immer mal etwas für den Urlaub ab." Im September, wenn die WM vorbei, soll es für eine Woche mit ihrem Freund Marc Burmeister an die Ostsee gehen. Die Großstädterin liebt das Wasser. Und sie braucht den Tapetenwechsel, um die Seele baumeln lassen zu können. Schließlich muss auch der Kopf fit sein, wenn sie Erfolg haben will.
Ab September wird es für Claudia Malzahn einfacher. Denn als heiße Medaillenkandidatin für die Olympischen Spiele in London im nächsten Jahr kommt sie in den Genuss des Eliteplus-Förderprogramms der Deutschen Sporthilfe. Nur 23 Sportler bundesweit werden dabei berücksichtigt. Die Sporthilfe hat das Förderprojekt im März ins Leben gerufen. Die
aussichtsreichsten Athleten sollen sich ohne finanzielle Sorgen und frei von beruflichen oder schulischen Zwängen auf Olympia vorbereiten. Deshalb setzt Claudia Malzahn in ihrem Trainerjob für ein Jahr aus. Die ihr dadurch fehlenden 1 500 Euro monatlich bekommt sie von der Deutschen Sporthilfe.
Ihre Schwester Luise, die mit ihrem EM-Bronze erst vor wenigen Tagen ihre olympischen Ambitionen untermauert hat, darf nicht auf diese Hilfe hoffen. Nicht etwa, weil sie weniger Chancen hat. Die 20-Jährige lernt an der Polizeischule in Aschersleben. Für sie wie auch Angehörige der Bundeswehrsportfördergruppe der Bundespolizei oder des Zolls machen andere das Portemonnaie auf.