Sport Sport: Oberhof tanzt Kunstschnee-Walzer
Oberhof/MZ. - Im Thüringer Wald tanzen sie wieder den Schneewalzer, dieses Mal den Kunstschnee-Walzer. Erleichterung schwingt mit, wenn die Fans, zu Tausenden aneinander gedrängt, auf der Stelle im Takt wippen, mit Deutschland-Fähnchen in der Hand - oder auch etwas Hochprozentigem. Der Biathlon-Weltcup am Oberhofer Grenzadler ist nicht, wie befürchtet, ins Wasser gefallen. Ein zweites Mal ein großes Wintersport-Ereignis abzusagen, wie kurz vor dem Jahreswechsel den Weltcup in der Nordischen Kombination, das hätten der alte Skiort und die Region kaum verkraftet.
Hilfe von oben
Hilfe kam von oben, aber nicht von ganz oben. Der Himmel gab die ersehnte weiße Pracht diesmal nicht frei. Dafür rollt in Kühltransportern aus Norddeutschland Schneeersatz heran. Das Bremerhavener Eiswerk schickte bereits 3 000 Kubikmeter Eiswürfel, mit denen sonst Fische gekühlt werden. Wie lange weiter geliefert wird, hängt vom Wetter ab. "Dass die Wettkämpfe auf unserem Schnee stattfinden, ist etwas Besonderes", sagt Eiswerk-Chefin Helga Düring. "Ich bin selbst Biathlon-Fan."
Mit einem Aufwand wie nie zuvor haben Weltcup-Organisationschef Wolfgang Filbrich und seine Helfer die Wettkampfstätten vorbereitet. Sie verlegten das Eis von der Küste auf einer zweieinhalb Kilometer langen Strecke, häckselten es dabei klein und präparierten die gefrorene Piste mit Kunstschnee. Das weiße Band durch den grünen Wald ist nun die Bühne der Stars wie Kati Wilhelm, Michael Greis und Ole Einar Björndalen und der Athleten aus 36 Ländern.
Der Winter-Zweikampf auf Langlaufskiern und mit Gewehr steht bei den Zuschauern in höchster Gunst. Sie pilgern zu Zehntausenden in den Thüringer Wald. Die Sponsoren hätscheln das Biathlon, das Fernsehen gönnt ihm große
Aufmerksamkeit. Nach den einstigen, bombastisch aufgezogenen Inszenierungen der Boxkämpfe von Henry Maske und Axel Schulz, der
verrückten Show um die Skispringer wie Sven Hannawald und Martin Schmitt suchten die TV-Sender nach einem neuen Sport für die Topquoten. So kamen sie auf die deutschen Biathleten, die Erfolge in Hülle und Fülle boten.
Für die Region um Oberhof ist Biathlon auch wirtschaftlich ein wahrer Segen. Wenn in dem Wintersportort gelaufen und geschossen wird, dann feiert der Tourismus mit. Im Umkreis von rund 50 Kilometern bleibt kaum ein Gästebett leer. Landrat Ralf Luther, zugleich Präsident des ausrichtenden Wintersport-Fördervereins, rechnet vor: "Wir haben 85 000 Eintrittskarten verkauft und gehen davon aus, dass fast die Hälfte der Zuschauer übernachtet. Die Gäste lassen in fünf Tagen 15 Millionen Euro in Thüringen."
Die Vertreter der Hotel- und Gaststättenbranche im Freistaat machen sich aber Sorgen wegen des milden Winters. "Natürlich kann man nicht jedes Mal Kunsteis von der Nordsee heranfahren", sagt Brigitte Groeger, Chefin des für den Weltcup ausgebuchten Hotels "Thüringen" im nahe gelegenen Suhl. "Wenn uns eines Tages der Klimawandel zu neuen Auswegen zwingt, müssen wir diese finden."
Ausfall eine Katastrophe
Unruhige Nächte liegen hinter Sabine Reuß, Präsidentin des Thüringer Skiverbandes. Den Ausfall der Wettkämpfe hätte sie als Katastrophe empfunden. "Hier geht es um die Überlebensfähigkeit des Thüringer Wintersports. Die Einnahmen aus dem Weltcup sichern unsere Zukunft." Der geplante Bau eines Skilauf-Tunnels in Oberhof für das Training Wintersportler hat etliche Gegner. Deshalb müssen Erfolge her wie jetzt beim Weltcup. Da lohnt sich auch der Eistransport von der Nordsee.