Nach Niederlage bei der Landtagswahl SPD in Sachsen-Anhalt: Burkhard Lischka soll die Partei versöhnen

Magdeburg - Der Mann, der die Scherben zusammenfegen soll, weiß, dass es in diesen Tagen auf jedes Wort ankommt. Burkhard Lischka ist Profi, Berliner Schule im Bundestag. An diesem Abend ist er in Magdeburg: Wieder haben sich die SPD-Spitzenpolitiker Sachsen-Anhalts zu einer Krisensitzung getroffen, wieder geht es um die Frage: Wie weiter, Genossen?
Bevor Lischka, dieser Zwei-Meter-Mann, am späten Freitagabend zu den Journalisten spricht, senkt er den Blick und holt tief Luft. Dann blickt er auf – so, wie es Fernsehmoderatoren machen, um die Kamera genau in dem Moment zu fokussieren, in dem die Aufnahme startet. „Das waren heute die besten Gespräche in meinen 26 Jahren in der SPD.“ Ein Satz wie Balsam nach Tagen des Scherbengerichts.
Es sind Worte, die helfen sollen, die offenen Wunden der Sozialdemokraten im Land zu heilen. Seit der desaströsen Landtagswahl, bei der die SPD auf 10,6 Prozent abgestürzt und zur viertstärksten Kraft im Land geschrumpft war, ringen Parteispitze und Basis um einen neuen Kurs - und vor allem um die Neubesetzung der Führungsposten.
Der bisherigen SPD-Chefin und Spitzenkandidatin Katrin Budde schlug eine Welle der Wut aus den Kreisverbänden entgegen. „Ein Neustart geht nur ohne Budde“, sagten Spitzenleute. Die 50-Jährige hatte vor einer Woche ihren Rückzug verkündet – und als der gesamte Landesvorstand am Freitag auf Druck der Basis nachzog und den Rücktritt zum April beschloss, glätteten sich die Wogen merklich. „Entgiftet“ sei das Klima in der Partei nach der erzwungenen Selbstreinigung, sagte ein Sozialdemokrat nach der Krisensitzung. „Befreiend“ wirke der Rückzug der alten Führungsriege.
Versöhnen soll nun Burkhard Lischka. Am Freitag verkündete er offiziell, was von vielen Genossen herbeigesehnt worden war: Er will Buddes Nachfolger im Amt des Landeschefs werden. Allein die Ankündigung des 51-Jährigen hatte viele Gemüter in der zerstrittenen Partei vor dem Krisentreffen am Freitag beruhigt. Lischka gilt als Integrationsfigur in der SPD - nicht nur landes-, sondern bundesweit. „Und er ist der einzige, der sich für das Amt aufdrängt“, sagt ein SPD-Mitglied.
Der 51-Jährige genießt Respekt in der SPD. Zum einen, weil er 2009 für die Partei in den Bundestag einzog und dort als innenpolitischer Sprecher agiert. Zum anderen, weil er sich als Stadtrat in Magdeburg seit 2004 ein Image als ehrlicher Kümmerer erarbeitet hat. Ex-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sagte vor Jahren über Lischka, er halte „sehr viel“ von dem Sozialdemokraten. Die beiden kennen sich: Der Jurist Lischka war von 2006 bis 2009 Staatssekretär im Justizministerium.
Und er hat einen guten Draht zu Sigmar Gabriel. Der Parteivorsitzende war am Freitag als Schlichter nach Magdeburg gekommen. Von „klugen Diskussionen“ sprach Gabriel nach der Krisensitzung: „Ich habe das Gefühl, alle haben sich untergehakt. Wir wollen neu anfangen.“ Sprich: Lischka hat auch den Segen des Vizekanzlers, wenn er auf dem Sonderparteitag am 2. April für das Amt des Landeschefs kandidiert.
Im internen Kreis hatte Lischka am Freitag verkündet, er werde das Amt nur dann antreten, wenn die Partei wieder an einem Strang ziehe - er stehe für keines der Lager, die sich nach der Wahl herausgebildet hatten: Budde-Feinde und Budde-Getreue. Zudem möchte Lischka den Posten nur übergangsweise besetzen.
Trotz Lischkas Bedingungen: Seit Freitag nähert sich das Parteiklima wieder Normalniveau an. „Das Gewitter, das es brauchte, hat es nun gegeben“, sagte Kultusminister Stephan Dorgerloh - einer derer, die sich für eine personelle Erneuerung stark gemacht hatten. Auch die Sondierung steht nicht mehr in Frage: Der Parteirat votierte klar für weitere Gespräche mit CDU und Grünen. Über Koalitionsverhandlungen soll dann der Sonderparteitag am 2. April entscheiden.
Mit Blick auf den Termin machte die kommissarische Parteichefin Katja Pähle bereits klar: „Ich werde nicht für den Vorsitz kandidieren.“ Auch Katrin Budde hatte angekündigt, nicht noch einmal für das Amt anzutreten. Die bisherige Landeschefin nahm nicht an dem Krisentreffen am Freitag teil. (mz)