1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Sozialpolitik: Sozialpolitik: In Magdeburg soll es bald keine Obdachlosen mehr geben

Sozialpolitik Sozialpolitik: In Magdeburg soll es bald keine Obdachlosen mehr geben

18.08.2005, 12:18
Der gesamte «Besitz» passt auf einen Einkaufswagen: Ein Obdachloser in einem Park. (Archivfoto: dpa)
Der gesamte «Besitz» passt auf einen Einkaufswagen: Ein Obdachloser in einem Park. (Archivfoto: dpa) dpa/dpaweb

Magdeburg/dpa. - Sein derzeitiges Zuhause ist immerhin das Sofa bei Freunden.Vorher hauste der 28-Jährige unter Brückenpfeilern, auf Bahnsteigen,am Deichwall und in Parks. «Sobald wie möglich möchte ich wieder inmeinen eigentlichen Beruf zurückgehen», erzählt der junge Mannzuversichtlich, den seine Sozialbetreuerin vor vier Monaten noch alsverschlossen, ungepflegt und abweisend charakterisierte.

In Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit läuft bei derMagdeburger Gesellschaft für Ausbildung, Qualifizierung undBeschäftigung (AQB) seit April ein Projekt, das für ganz Deutschlandbeispielhaft sein könnte. Die 88 in Magdeburg registrierten Bürgerohne festen Wohnsitz werden Schritt für Schritt wieder in dieGesellschaft integriert - mit Arbeit, sozialer Verantwortung undeigenem Wohnraum. Die ersten Ergebnisse des Modellprojekts sinderstaunlich: 60 von ihnen gehen bereits jetzt wieder einer geregeltenBeschäftigung im Rahmen von so genannten «Ein-Euro-Jobs» nach und 23sind weg von der Straße, das heißt, sie sind wieder Mieter einereigenen Wohnung.

«Für uns ist wichtig, dass diesen Leuten endlich mehrAufmerksamkeit zukommt, weil sie unbeachtet und zu kurz gekommenteilweise seit Jahren ohne Beschäftigung und familiäre Kontakte ingroßer Einsamkeit leben», erklärte die Geschäftsführerin deszuständigen Jobcenters, Sigrid Rosam, am Montag bei der Vorstellungdes ungewöhnlichen Projekts. Das ursprüngliche Ziel war eineResozialisierungsquote zwischen acht und zehn Prozent der Teilnehmer,deren Leben meist durch Langzeitarbeitslosigkeit, Scheidung oder hoheSchulden auf die schiefe Bahn geriet.

Doch schon heute liegt die Erfolgsrate höher bei derWiedereingliederung der durchschnittlich 40-Jährigen, die abfälligoft als Penner bezeichnet werden und überwiegend männlich sind.«Natürlich gibt es Rückfälle, Leute, die plötzlich nicht zur Arbeiterscheinen, aber irgendwann kommen sie wieder», sagte Ursula Fahtz,Geschäftsführerin der Beschäftigungs-Gesellschaft AQB die Problemeder Obdachlosen. Übermäßiger Alkoholkonsum oder kurze Haftaufenthaltewegen kleinerer Delikte täten ihr Übriges bei dem langwierigenProzess, sich nach einem Leben außerhalb der Gesellschaft wieder aneinen geordneten Tagesablauf zu gewöhnen.

«Hilfe zur Selbsthilfe», lautet das Motto im neuen Leben derfrüheren «Assis», denn nichts wird ihnen aufgezwungen und bei allenSchritten werden sie betreut - von Sozialarbeitern, Pädagogen,Arbeitsvermittlern und Sozialeinrichtungen wie der MagdeburgerSuppenküche sowie der städtischen Wäscherei und Kleiderkammer. Selbstdie Projekt-Macher sind überwältigt: «Man glaubt gar nicht, wie frohdie Betroffenen sind, dass sich endlich jemand um sie kümmert»,berichtete Projektleiterin Ursula Reppin. Am deutlichsten zeige sichdiese Erleichterung in dem Wunsch, jeden Morgen vor der Arbeitgemeinsam zu frühstücken.