Siegfried Haller Siegfried Haller: Umstrittener Leipziger Jugendamtschef tritt ab

Leipzig/MZ - Am Ende kam wohl einfach zu viel zusammen, um Siegfried Haller (Foto) noch halten zu können - die Plagiatsaffäre, die Pannen und Skandale in seiner Behörde: Gestern hat die Stadt Leipzig den umstrittenen Leiter ihres Jugendamtes abgesetzt. Ab Freitag ist Haller freigestellt, nach einer neuen Aufgabe für ihn wird noch gesucht. Die Pressemitteilung der Stadtverwaltung dazu ist ganze acht Zeilen lang und wirft mehr Fragen auf als sie Antworten gibt. Zu den Gründen, heißt es da etwa, sei „Vertraulichkeit vereinbart“ worden.
Einen konkreten Anlass, Haller gerade jetzt den Stuhl vor die Tür zu setzen, hat es nach MZ-Informationen nicht gegeben. Doch der Druck auf den Chef der Mega-Behörde mit 1 800 Mitarbeitern ist immer stärker geworden. Seit April vorigen Jahres streitet sich Haller mit der Uni Halle, die ihm nach Plagiatsvorwürfen den 2003 an der halleschen Alma Mater erworbenen Doktortitel entzogen hat. Der Streit ist noch nicht ausgestanden. Haller hat gegen die Uni geklagt, eine Entscheidung wird erst im Sommer erwartet.
Verdurstet neben der toten Mutter
Massiv in Bedrängnis gerät Haller nach dem Tod einer jungen Drogenabhängigen und ihres zweijährigen Sohnes im Juni vorigen Jahres. Der Junge war neben seiner toten Mutter in der Wohnung in Leipzig-Gohlis verdurstet. Der Allgemeine Sozialdienst des Jugendamtes, der die Frau betreut hat, hat mehrere Hinweise auf eine Gefährdung des Kindes ignoriert. Im Oktober muss die Sozialdienst-Chefin ihren Hut nehmen, doch der Amtsleiter bleibt. Ermittlungen gegen ihn wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen.
Erneut in die Schlagzeilen gerät Hallers Behörde im Herbst 2012, als eine kriminelle Kinderbande mit ihren Raubzügen Einzelhändler in ganz Leipzig terrorisiert. Der Amtschef muss einräumen, dass seine Sozialarbeiter viel früher hätten eingreifen müssen. Wie eine Kleinigkeit nimmt sich dagegen der Vorwurf des Landesrechnungshofes aus, das Jugendamt habe bei der Auszahlung von Unterhaltsvorschuss an alleinerziehende Mütter geschlampt, die Aktenführung lasse zu wünschen übrig - was die Stadt im übrigen zurückweist.
Ein Geschmäckle?
Lange haben sich Oberbürgermeister Burkhard Jung und Sozialdezernent Thomas Fabian (beide SPD) schützend vor Siegfried Haller gestellt. Nun muss er doch gehen. Die Frage bleibt: Warum gerade jetzt? Es ist keine zwei Wochen her, da ist Jung als Oberbürgermeister im Amt bestätigt worden. Der Zeitpunkt von Hallers Absetzung habe deshalb „ein Geschmäckle“, meint die Linken-Stadträtin Naomi-Pia Witte, welche die Vorgänge im Jugendamt seit langem beobachtet. Jung habe wohl vermeiden wollen, im Wahlkampf durch den Fall Haller beschädigt zu werden.
Nicht nur Witte hofft nun, dass das Jugendamt „eine starke neue Führung“ bekommt - eine, die auch die von vielen Stadträten seit langem geforderte Umstrukturierung der Behörde vorantreibt. Nach dem tragischen Tod der jungen Mutter und ihres Sohnes etwa habe die Verwaltung angekündigt, die Arbeit des Sozialdienstes zu evaluieren. „Das ist bis heute nicht passiert“, kritisiert Witte.