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Milliardär Merckle investiert Seen in Mitteldeutschland: Schwäbische Merckle-Gruppe kauft sich ein.

Von Steffen Höhne 24.08.2016, 07:30
Am Hainer See im Süden Leipzigs sind in der „Kahnsdorfer Lagune“ Einfamilienhäuser mit Seezugang gebaut worden.
Am Hainer See im Süden Leipzigs sind in der „Kahnsdorfer Lagune“ Einfamilienhäuser mit Seezugang gebaut worden. Stedtler

Halle (Saale)/Gröbern - „Solch ein schöner Blick. Fantastisch nicht?“ Ludwig Merckle steht auf der Terrasse eines neu gebauten Ferienhauses. Vor ihm glitzert der Gröberner See in der Abendsonne. Innen ist das Haus stilvoll mit Holzmöbeln eingerichtet. Es dominieren die kühlen Farben Grau und Blau.

Der Milliardär aus dem schwäbischen Ulm ist gekommen, um sein jüngstes Investment in Augenschein zu nehmen. Mitte August wurde das „See- und Waldresort“ zwischen Bitterfeld und Gräfenhainichen eingeweiht.

Dabei handelt es sich um einen Vier-Sterne-Hotel-Komplex mit 35 Ferienhäusern. 14 Millionen Euro hat die Anlage gekostet.

Seen in Mitteldeutschland privatisiert: Millionen für Tagebausanierung

Ludwig Merckle steht an der Spitze eines der größten deutschen Familien-Unternehmen. Zur Gruppe gehört unter anderem der Maschinenbauer VEM, der Pharma-Händler Phoenix und der Fahrzeugbauer Kässbohrer.

Der Umsatz der Gruppe, die von Ludwigs Vater Adolf gegründet wurde, liegt im zweistelligen Milliardenbereich. Zu dem verzweigten Konglomerat gehört auch das Unternehmen Blauwald. Dieses verwaltet den Forst der Familie.

Nach der Wende interessierte sich Adolf Merckle für Flächen in Ostdeutschland. Dabei stieß er - mehr oder weniger zufällig - auch auf sogenannte Tagebau-Restlöcher, die geflutet werden sollten.

Früher als viele andere erkannte Merckle das wirtschaftliche und touristische Potenzial der entstehenden Seen. Innerhalb weniger Jahre stieg Merckle über seine Blausee GmbH zum größten privaten Seenbesitzer Mitteldeutschlands auf.

Fünf Seen gehören ganz oder teilweise zur Gruppe - in Sachsen-Anhalt sind das neben dem Gröberner See, der Gremminer See und die Goitzsche.

Seen in Mitteldeutschland entstanden durch die Braunkohle

Einst war die Region durch die Braunkohle geprägt. Nördlich von Bitterfeld wurde 1915 in Zschornewitz das erste Braunkohlekraftwerk Deutschlands in Betrieb genommen.

In Gröbern wurde bis 1993 nach Kohle gegraben. Bekannt wurde der Tagebau 1987, als ein Baggerfahrer das Skelett eines 100 000 Jahre alten Waldelefanten barg, das sich heute im Landesmuseum in Halle befindet.

Die mit der Sanierung beauftragte staatliche Gesellschaft LMBV flutet den Tagebau seit 2001. Ein zweistelliger Millionenbetrag wurde aufgewendet, um die Landschaft zu rekultivieren.

Vom einstigen Bergbau ist heute nur noch wenig zu sehen. Doch die Planungen der Firma Blausee erschwerte und durchkreuzte der ehemalige Tagebau immer wieder. „Ein großer Teil des Sees steht noch unter Bergrecht. Dort darf nicht gebaut werden“, so Geschäftsführer Hans-Martin Oettinger.

Nach dem Erdrutsch am Concordiasee in Nachterstedt (Salzlandkreis) im Juli 2009, bei dem drei Menschen starben und 41 ihre Häuser verloren, sind die Behörden bei der Freigabe von Seen äußerst vorsichtig geworden.

„Um hier bauen zu dürfen, mussten wir einen sogenannten Bergschadenverzicht unterschreiben“, sagt Oettinger.
Kommt es etwa durch Erdbewegungen zu Rissen an den neu gebauten Häusern, muss die LMBV nicht haften.

„Es ist daher fast unmöglich, eine Bank zu finden, die ein solches Projekt finanziert“, erklärt Oettinger. Soll wohl auch heißen: Ohne Merckles Millionen würde sich in Gröbern wahrscheinlich touristisch nichts tun.

Beim Rundgang über das Gelände spricht Oettinger nicht nur die neue Fitness- und Saunalandschaft für die bis zu 200 Resort-Gäste an, sondern auch den freien Zugang der Bevölkerung zu Spielplatz und Strand. Das Restaurant ist auch nicht nur den Feriengästen vorbehalten, sondern soll Bitterfelder oder Wittenberger anziehen.

Darum werden die Investitionen von Blausee auch kritisch gesehen

Die Investments von Blausee werden vielerorts auch kritisch beäugt. Dreh- und Angelpunkt der Diskussionen ist dabei stets der freie Zugang zum See. Rund 3,12 Milliarden Euro hat die LMBV allein in Mitteldeutschland in die Sanierung der rund 30 ehemaligen Tagebaue und die Umwandlung in Seen aus Steuermitteln investiert.

Allein in Sachsen-Anhalt entstanden 16 Seen. Vor allem die Anrainer haben nun oft Sorge, dass der Seezugang durch Bebauung versperrt wird.

Als Beispiel dafür kann der Hainer See im Süden von Leipzig dienen. Dort haben die Manager von Blausee im kleinen Ort Kahnsdorf Bauland erschlossen. Anschließend wurden die Parzellen in der „Kahnsdorfer Lagune“ verkauft.

Heute reihen sich dort Einfamilienhäuser direkt am See - meist mit einem kleinen Bootssteg für ein Motorboot oder eine Segeljacht. Auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hat dort ein Wochenendhaus.

Die Häuser am See sehen teilweise aus, als wären sie dem Magazin „Schöner Wohnen“ entsprungen. Weniger schön ist, dass außer den Besitzern sich alle anderen die Bucht nur noch von einer oberhalb gelegenen Straße aus ansehen können.

Blausee-Chef Oettinger meint inzwischen auch, dass „damals Dinge gemacht wurden, die wir heute so nicht mehr händeln würden“. So wurden Grundstücke einzeln verkauft, für deren Bebauung gab es kaum Auflagen.
Konflikt um Bebauung

Direkte Seebebauung soll in Mitteldeutschland nicht ausgeschlossen werden

Eine direkte Seebebauung generell auszuschließen, findet Oettinger allerdings auch falsch. „Die Seen verlieren für die Bevölkerung nicht an Attraktivität, wenn zehn Prozent des Ufers nicht zugänglich sind“, so Oettinger.

Häufig könnten über Wohn- oder Hotelprojekte andere Vorhaben wie ein öffentlicher Strand oder ein Hafen mitfinanziert werden. Auch die Pflege der Seen koste viel Geld. Dazu müssten auch die erforderlichen Mittel erwirtschaftet werden.

Nach Ansicht von Oettinger gibt es keinen Masterplan: „Für jeden See muss ein eigenes Modell gefunden werden.“ Und noch einen Satz fügt er an: Ohne Akzeptanz der örtlichen Bevölkerung gehe das nicht.

Eines der größten Entwicklungsprojekte treibt die Gruppe an der Goitzsche in Bitterfeld-Wolfen voran. Nachdem die kommunale Verwertungsgesellschaft pleitegegangen war, übernahm Blausee Ende 2013 für 2,9 Millionen Euro große Teile der Wasser- und angrenzenden Landflächen. Anschließend wurde eine Tourismus- und eine Besitzgesellschaft gegründet.

Die eine soll Gäste in die Region holen, die andere das Land erschließen. Etliche Projekte wurden angeschoben: So entsteht der Bitterfelder Stadthafen mit drei Stegen für 120 Segelboote. Hinzu kommt eine 500 Meter lange Regattastrecke für Ruderer und Kanuten. Nebenan, auf dem sogenannten Spargelfeld, soll ein Hotel entstehen.

Das größte Projekt sind die Schlossterrassen im benachbarten Ort Pouch. Für 1,5 Millionen Euro wurde ein 30 000 Quadratmeter großes Areal erschlossen und eine Serpentine zwischen Dorf und See errichtet. Bis zu 100 Ferienhäuser und Wohnungen sollen dort entstehen. „Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass Bitterfeld ein Urlaubsort wird“, sagt Oettinger.

Noch sei dies aber ein Verlustgeschäft. Allein 300 000 Euro kostet der Unterhalt der Goitzsche jährlich. Dies werde bei weitem nicht verdient.

Dennoch hält die Linke im Bitterfelder Stadtrat den Verkauf des Landes für falsch. Der amtierende Fraktionschef Werner Rauball sagt: „Ob etwas gemacht wird, sollte die Stadt entscheiden. Wie etwas gemacht wird, ein privater Investor.“

Rauball meint damit, die Stadt hätte die Flächen nicht verkaufen, sondern besser sehr langfristig verpachten sollen. „Wie die Entwicklung verläuft und was gebaut wird, liegt heute nicht mehr in der Hand der Stadt“, bemängelt Rauball. Er findet einige Blausee-Projekte durchaus lobenswert. „Doch dafür hätte man das Heft nicht ganz aus der Hand geben müssen“, ist Rauball überzeugt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Ufer irgendwann in größerem Umfang bebaut werden.

Im See- und Waldresort in Gröbern finden inzwischen Berliner, Hamburger und Leipziger ihre Urlaubsruhe. Die Anlage ist in den ersten Wochen nach der Eröffnung bestens gebucht. Mit dem Boot kann auf dem See geangelt werden, der Fisch wird auf Wunsch auch in der Hotelküche zubereitet.

Ludwig Merckle sagt offen: „Solch einen Besitz zu erwerben, war eine einmalige Chance. So etwas wäre in den alten Ländern nicht mehr möglich. Wir haben aber auch eine Verpflichtung übernommen, daraus für die Region etwas zu machen.“ (mz)