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Schwimmstunde Schwimmstunde: Bei Regen kein Unterricht

Von ALEXANDER SCHIERHOLZ 03.08.2010, 21:42
Schwimmkurs im Teutschenthaler Pappelgrund.
Schwimmkurs im Teutschenthaler Pappelgrund. Archiv/Stedtler Lizenz

HALLE/MZ. - Am Montag ist es wieder soweit: Die Viertklässler der Grundschule aus Höhnstedt (Saalekreis) haben sich bei Karin Seifert zum Schwimmunterricht angemeldet. 14 Tage im Block. "Wenn es regnet", sagt die Betreiberin des Strandbades Pappelgrund in Teutschenthal bei Halle, "dann haben sie Pech gehabt." Dann würde der Unterricht ausfallen.

Kein Einzelfall, zumindest nicht nach Angaben des Landesschwimmverbandes Sachsen-Anhalt, in dem Seifert als "Schwimmwartin" engagiert ist. Zwar ist der Schwimmunterricht in Sachsen-Anhalts Grundschulen in der zweiten, dritten oder vierten Klasse Pflicht. Doch bei der Umsetzung hapere es oft, sagt Seifert: "Es gibt überall da Probleme, wo es keine Schwimmhallen gibt", also zumeist auf dem Land.

Manche Schulen handeln den Unterricht deshalb im Block ab, wie in Höhnstedt - eine entsprechende Landesverordnung lässt das zu. Andere, erzählt Seifert, fahren ihre Schüler alle 14 Tage einmal für 90 Minuten ins nächstgelegene Bad statt jede Woche für 45 Minuten - aus finanziellen Gründen. "Methodisch ist das Unsinn, so lange bleibt kein Drittklässler im Wasser." Der Lerneffekt verpuffe dann wieder.

Kritik kommt auch von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft: Der vorgeschriebene Pflichtunterricht werde "nicht konsequent umgesetzt", kritisiert Mathias Becker, Vizepräsident des DLRG-Landesverbandes: "Es gibt Engpässe", von Eltern höre man sogar immer wieder, dass Schwimmstunden ausfielen. Der Grund liegt für Becker auf der Hand: In den zurückliegenden Jahren seien immer mehr Schwimmhallen und Bäder dem Sparzwang der Kommunen zum Opfer gefallen. Karin Seifert vom Schwimmverband beklagt zudem, viele Lehrer seien für den Schwimmunterricht nur unzureichend ausgebildet.

Im Kultusministerium wird das zurückgewiesen: Alle Sportlehrer hätten schon vom Studium her auch die Befähigung zum Schwimmlehrer, "sonst dürften sie gar nicht unterrichten", sagt Sprecherin Kathrain Graubaum. Und von Engpässen beim Schwimmunterricht oder gar Ausfall "haben wir noch nichts gehört".

Nach Angaben des Landesverwaltungsamtes ist auch im neuen Schuljahr der Schwimmunterricht flächendeckend gesichert. Lediglich in Wittenberg, wo ein Hallenbad wegen Sanierung dicht ist, hätten sich die Schulen verständigt, den Unterricht um ein Jahr zu verschieben, sagt Amtssprecherin Denise Vopel.

Laut Ministerium können 70 Prozent der Grundschüler im Land nach Abschluss des Unterrichts schwimmen. "Im Bundesvergleich ist das viel", sagt Graubaum. Eine Studie der DLRG vom Dezember vergangenen Jahres zeigt, dass es mit den Schwimmfähigkeiten deutscher Kinder tatsächlich nicht zum Besten bestellt ist: Demnach können bundesweit 45 Prozent der Schüler am Ende der vierten Klasse nicht sicher schwimmen, 23 Prozent haben noch nicht einmal die Seepferdchen-Prüfung absolviert. "Ein erschreckendes Ergebnis", kommentiert der Sprecher des DLRG-Bundesverbandes, Martin Janssen.

Karin Seifert vom Landesschwimmverband indes betrachtet die Zahlen des Kultusministeriums mit Skepsis. "Wenn 70 Prozent der Kinder schwimmen können, heißt das, 30 Prozent können es nicht oder schlecht", sagt sie, "das ist viel." Und ein Großteil der unter den 70 Prozent erfassten Schülern habe das Schwimmen ohnehin schon vor der Schule gelernt.

In Kursen, wie Seifert sie auch selbst anbietet. Gerade ist sie in Teutschenthal mit drei fünfjährigen Mädchen aus dem Wasser gekommen. "Fünf ist ein ideales Alter, um schwimmen zu lernen", sagt Seifert, "je älter die Kinder werden, desto mehr Angst haben sie." Seifert gibt für Fünf- und Sechsjährige auch Kurse beim halleschen Verein Rotation, "die sind immer gut frequentiert". In Köthen bereitet sich Holger Reinsch, Betriebsleiter der Köthener Badewelt, schon wieder auf die nächsten Seepferdchen-Kurse für Sechs- und Siebenjährige nach den Ferien vor. "In der letzten Zeit hatten wir zwei Kurse pro Woche", sagt er, "wegen der großen Nachfrage." Zum Teil habe die Wartezeit bis zu einem Jahr betragen. Zu den Kinderschwimmkursen, die die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft in Benneckenstein (Harz) anbietet, kämen Interessenten aus der ganzen Region, sagt DLRG-Vizepräsident Mathias Becker.

Was die Frage aufwirft: Trauen Eltern dem Schulunterricht nicht? Oder wollen sie nicht so lange warten? Holger Reinsch aus Köthen sagt, er sei selbst darin interessiert gewesen, dass seine - mittlerweile älteren - Kinder früh schwimmen lernten: "Man hat Kinder nicht immer im Blick. Und im und am Wasser ist schnell mal etwas passiert." Birgit Knöppel aus Halle gab schlicht dem Drang ihrer fünfjährigen Zwillinge Lena und Klara nach, die derzeit in Teutschenthal schwimmen lernen: "Die beiden wollten das so. Die zieht es sowieso immer zum Wasser."

Viele Vereine nutzen ihre Schwimmkurse freilich auch zur Talentsuche: Der SC Magdeburg etwa, der Verein des ehemaligen Schwimmstars Antje Buschschulte, arbeitet bei seinem Projekt "Elbepiraten" sogar mit Kindergärten zusammen. Die "Elbepiraten" der Landeshauptstadt steigen schon mit vier Jahren ins Becken, quasi zum Warmwerden. Für Fünf- und Sechsjährige gibt es dann Schwimmkurse. Sinnvoll wäre es, findet Buschschulte, wenn auch der schulische Schwimmunterricht schon in der ersten Klasse beginnen würde.

In Bitterfeld haben sie das vier Jahre lang probiert: In einem landesweiten Pilotprojekt stand für Schüler aller Klassenstufen der Pestalozzi-Grundschule jede Woche Schwimmen auf dem Stundenplan. "Quasi als dritte Sportstunde", sagt Klaus Gatter, Vize-Präsident des örtlichen Schwimmvereins, der das Projekt gemeinsam mit dem Kreissportbund angeschoben hat. "Die Schwimmfähigkeit der Kinder hat sich deutlich verbessert", sagt Gatter. Die Mehrzahl von ihnen habe Brust- und Rückenschwimmen, zum Teil sogar Kraulen gelernt.

Einige der Schüler, die jetzt in die 5. Klasse kommen, will Gatter in die Arbeitsgemeinschaft Junger Rettungsschwimmer des Vereins übernehmen. Die werden immer gebraucht, seit der Tagebausee Goitzsche zum Bade- und Wassersportparadies geworden ist.