Schulsport Schulsport: Tempo, Tore und Talente
Nebra/MZ. - Los, los, los! Jetzt stürmen die beiden Mannschaften auf das Feld. Mit Schlägern in der Hand jagen zehn Spieler über das Parkett. Ihr Ziel ist ein kleines Etwas - 23 Gramm leicht, mit Löchern und wegen der Aerodynamik mit 1 500 winzigen Vertiefungen im weißen Plastikmantel. Wer das Ding erwischt, treibt es in Richtung gegnerisches Tor. Alles geht rasend schnell. Die Akteure schwitzen, wer zuschaut oft fast ebenso. Das ist Floorball, eine Sportart auf dem besten Wege ins olympische Programm. Und Sachsen-Anhalt mischt dabei kräftig mit. Neben Weißenfels gelten weitere Orte im Burgenlandkreis sowie Halle und Wernigerode als Hochburgen dieser jungen Sportart. Landesweit spielen mehr als 2 000 Kinder und Jugendliche in Schulauswahl-Mannschaften bei "Jugend trainiert für Olympia".
Womöglich kommt einer der künftigen Champions aus Nebra im Burgenlandkreis. Dort besitzt die Ganztags-Grundschule seit am Mittwoch offiziell den Status einer Floorball-Schule. Mit dem Segen des Kultusministeriums ist es die erste Einrichtung dieser Art im Land. Damit nutzt die Schule einen Passus im Schulgesetz. Danach können Schulen seit 2005 eigenständig ihr Profil entwickeln, in diesem Fall zu einem sportlichen Leistungszentrum für Floorball.
Die entsprechende Urkunde überbringt Rolf Blanke, Präsident des Landesverbandes. Umsonst gibt es sie freilich nicht. Das sind laut Konzept die entscheidenden Kriterien, die die Nebraer erfüllen: Floorball ist künftig ganz offiziell ein Schwerpunkt im Sportunterricht. Darüber hinaus gibt es das Angebot in einer Arbeitsgemeinschaft. Und mit dem örtlichen Verein bietet sich den Jungen und Mädchen eine zusätzliche Möglichkeit. So kann jeder, der will, bis zu fünf Mal in der Woche ins Spiel kommen.
Test mit Besenstiel und Lappen
35 Mädchen und Jungen, die Mannschaften in drei Altersklassen bilden und in der ersten deutschen Floorball-Kreisliga um Punkte kämpfen, nutzen die Gelegenheit. Einige Eltern belegen bereits einen Übungsleiterkurs. So kann für die Kinder eine sportliche Karriere beginnen, die Spaß macht, für Schwung sorgt und nicht allzu viel kostet: Zehn Euro für Ball und Schläger, dann kann es losgehen.
Für den ersten Test daheim reichen sogar Besenstiel und Wischlappen. Das ist Blankes erste Erinnerung an das Spiel, das offiziell erst zwei Jahre Floorball heißt - vorher Unihockey. Der ehemalige Sportwissenschaftler von der Uni Halle trommelt seit fast zwei Jahrzehnten für diese vergleichsweise junge Disziplin - mit Erfolg. Dass die Nebraer den Floorball nun ins Schulprogramm aufnehmen, ist einer von vielen Schritten, Sachsen-Anhalt in die europäische Spitzenklasse zu führen. Ähnliche Bestrebungen zeichnen sich laut Blanke auch am Freien Gymnasium Geiseltal in Mücheln (Saalekreis), an der Beuditzgesamtschule Weißenfels und am GutsMuths-Gymnasium Quedlinburg ab. Insgesamt gilt Floorball als "schlafender Riese", denn es ist in Deutschland die Sportart mit dem kräftigsten Mitgliederzuwachs.
Frank Löper vom Landessportbund: "Sachsen-Anhalt steht ganz dicke da, ist die Hochburg." Jeder sechste deutsche Floorballer spielt hier. Bundesweit zählen alle Vereine rund 10 000 Aktive. Wenn der Aufwind anhält, ist absehbar, dass die Disziplin über kurz oder lang auch in Sportschulen und Förderprogrammen ihren Platz finden.
Die Nebraer Schulleiterin Karolin Fuchs verspricht sich viel vom neuen Sportprofil. Floorball könne spielerisch viel dazu beitragen, was die Lehrer mit ihren 108 Schülern ohnehin anstreben: Einsatzwillen, Teamgeist und nicht zuletzt Fairplay.
Die Hoffnung: "Wer Floorball spielt, lernt besser." Kein Schlagen, kein Hauen, Spielwitz entscheide über Sieg und Niederlage. Langeweile komme dabei bestimmt nicht auf. "Wer es nicht glaubt, soll sich mal ein Spiel des Unihockey Clubs Sparkasse Weißenfels ansehen - eine volle Halle, Spannung pur und eine tolle Stimmung." In punkto Lautstärke gehe auf den Rängen zu wie bei Olympia. Aber da sei man als Lehrer aus Schulpausen einiges gewöhnt, sagt Fuchs. Sportlehrer Jörg Scherguhn ist genau wie sein Kollege Philipp Quenzel bereits ausgebildeter Schiedsrichter. Er beschreibt seine Erfahrungen am Beispiel eines zweitägigen Schnuppertrainings mit Nationalspielern während der Herbstferien. "Der Ansturm der Jungen und Mädchen war riesig", sagt Quenzel. Für den Lehrer wirkt Floorball fast wie die sagenhafte goldene Gans im Märchen. Wer da einmal anfasse, komme nicht mehr davon los.
Die Faszination des Spiels erklärt sich der 44-Jährige mit der rasanten Aktion auf dem Spielfeld und auch mit dem schnellen Erfolg, den selbst ein unerfahrener Spieler als Torschütze haben kann. Die neunjährige Lisa-Sophie Ola und die zehnjährige Nina Franke, beide von der Nebraer Grundschule, schwärmen davon. Tore schießen macht den meisten Spaß, so die einhellige Meinung. Wer Tore erzielen will, braucht einen straffen Schuss. Das ist eine der ersten Erfahrungen, die der sportliche Nachwuchs macht. Spitzenleute treiben den Ball nicht selten auf Tempo 180. Anfänger starten - die elektronische Messung ermittelt es - meist mit Werten zwischen 40 und 70.
Zur Ausbildung in den Osten
Floorball-Teams aus München, Berlin, Köln, Leipzig, Dresden oder Bonn kommen zu Meisterschaftsvergleichen nach Weißenfels - und haben meist das Nachsehen. Zwölf Titel schmücken schon das UHC-Vereinsheim. Es sollen noch mehr werden. Dazu setzen Blanke und Co. auf die Kooperation mit den traditionellen Floorball-Nationen. Dazu gehören vor allem die skandinavischen Länder, aber auch Tschechien und die Schweiz. Nicht zufällig findet das nächste Trainingslager in dem Alpenland statt.
Andererseits ist Weißenfels eine Top-Adresse für Nachwuchsspieler aus anderen Bundesländern. Seit kurzem ist Jonas Hoffmann, ein Riesentalent vom Elmsbütteler Turnverbandes (ETV) Hamburg im Team. Um hier trainieren zu können, hat der 18-jährige Amateur, der für die nächste Weltmeisterschaft nominiert ist, seine Ausbildung extra in den Osten verlegt.