Tradition in Edlau Tradition in Edlau : Hammelbraten im Busch

Edlau - Wer sich am vergangenen Wochenende auf den Feldwegen rund um Sieglitz auf eine Fahrradtour begab oder die Wanderschuhe ausgepackt hatte und sich auf eine Wanderung machte, der stieß unweigerlich auf etwas Ungewöhnliches. Nicht die knapp dreißig Männer, welche man im Tal der entspringenden Plötze im Busch südwestlich von Sieglitz Richtung Golbitz antraf, sind ungewöhnlich. Auch nicht das riesengroße Armeezelt, was man schon von weitem sah.
Das Ganze insgesamt ist eher ungewöhnlich. Wer vermutete denn hier ein Zeltlager mit erwachsenen Menschen. Das große Zelt war Aufenthaltsraum und Schlafplatz zugleich. Dieser wurde aber separat abgetrennt. „Wer müde wird, der kann sich einfach hinlegen und ausschlafen“, sagte Gerhard Danisch. Ein Generator sorgte für Strom, müssen doch einige Lebensmittel kühl gehalten werden. Die in diesem Tal entspringende Plötze wurde für die drei Tage angestaut und an einer Stelle erweitert. Dort konnten sich die Männer frühmorgens waschen oder nahmen bei der Hitze ein kühlendes Bad. Danisch erklärte dazu: „Hier ist es fast zwei Meter tief.“ Es stellt sich aber noch eine andere Frage: Wo sollte man an den drei Tagen seine Notdurft verrichten? Auch hierfür hatten die Männer eine Lösung parat. Hinter einem größeren Busch bauten sie ein Klobecken mit Spüle auf.
„Das hat auch nicht jeder. Mitten in der Natur sein Geschäft zu verrichten und dabei die Natur genießen oder die Fahrzeuge auf der Autobahn zählen zu können“, zeigte sich Danisch über dieses besondere „stille Örtchen“ erfreut. Es wurde einfach an alles gedacht.
Aber warum treffen sich diese Männer immer am Wochenende des letzten Juni-Sonnabends an diesem Ort zum Zeltlager? Am jüngsten Wochenende nun schon zum 42. Mal. Das Zusammentreffen, welches unter dem Titel „Hammelbraten“ läuft, hat einen historischen Hintergrund.
In diesem Tal wohnte von 1836 bis 1898 eine Wilhelmine Koch. In einer alten, übermittelten Schrift wird über das Haus und ihre Bewohnerin folgendes geschrieben: „Es war das Anwesen einer wunderlichen Alten, die hier mit einem Schuster in allen Ehren ihre Zigeunerwirtschaft trieb, allenthalben hieß sie ,Kochminchen’. Sie wusch sich nicht, kämmte sich nie, kaum dass sie ihr bisschen Wäsche im vorbeifließenden Bache ausschwenkte,
Schweine und Ziegen lagen zu dritt in ihrer Stube, derselbe Topf diente zur Milch wie zum Hering. Ihr Tod kam schneller und anders als sie dachte. Die Alte, die keinem Menschen je ein Härchen gekrümmt hatte, wurde eines Novembersonntagsmorgens früh (1898) von einem Mordbuben überfallen und meuchlings erstochen. Er wollte ihr bisschen Geld rauben und war eigens deswegen von Halle hierher gekommen. Die Alte wurde dann unter großem Gedränge auf dem Dornitzer Friedhof bestattet, der Bube aber in Halle hingerichtet.“
Im Jahre 1974 entschlossen sich die männlichen Einwohner Edlaus an der Stelle des Wohnhauses von „Kochminchen“ die alte Frau zu ehren. Entstanden war eine Zusammenkunft, welche sich seitdem das „Hammelbraten“ nennen sollte. „Wir haben hier neben den vier Ortsteilen Edlaus einen weiteren erschaffen“, so Danisch, „Kochmin ist der fünfte Edlauer Ortsteil.“
Im Mittelpunkt dieser Zusammenkunft steht das Grillen eines Hammels am Spieß am Sonnabend. Wichtig ist aber an diesem Wochenende das gemütliche Beisammensein der Edlauer Männer. Aber auch Gäste wurden aufgenommen. So unter anderem der Kölner Zeljko Rubic. Ihn hat der auf Montage dort arbeitende Hartmut Reichmann von dem Treiben erzählt. „Als ich das gehört habe, dachte ich, da musst du auch hin“, erzählte Rebic. Gesagt, getan. Im letzten Jahr war er zum ersten Mal zu Gast. Er buchte ein Zimmer in einem Hotel in Könnern. „Als ich aber das Zelt mit den Betten gesehen habe, war es um mich geschehen“, so Rebic, „ich habe das Zimmer storniert und bin ins Feldlager gezogen.“
In „Kochmin“ treffen sich die Männer nicht nur zum Quatschen. „Da wird nicht immer intellektuell geredet“, sagte Thomas Kramer, „das ist gut so. Hier kann man sich mal drei Tage fallen lassen.“ Das „Hammelbraten“ wird zum gemütlichen Beisammensein genutzt. Viele Gaudispiele stehen auf dem Programm - Handyweitwurf, Hufeisenzielwurf -, um nur einige zu nennen. Am Sonntagmittag ist dann die Männerwirtschaft zu Ende.
„Dann dürfen auch die Frauen kommen. Zum Rehbraten essen und später Kaffee trinken“, sagte Danisch. Ob dann die Gespräche intellektueller werden? Jedenfalls eines ist sicher. Auch im nächsten Jahr wird es für ein Wochenende Männerwirtschaft in Edlau geben.
(mz)