Im Unterricht bloßgestellt? Sinkende Einschulungen Grundschule Alsleben: Stadtrat macht Konfilkte öffentlich, Schulamt Halle reagiert zu spät

Alsleben - Es gab mal einen Jungen, der eigentlich immer ganz gern in die Schule gegangen ist. Doch dann brachte er nur noch schlechte Noten mit nach Hause und hatte keine Lust mehr auf diese Schule. Und eines Tages wollte er morgens gar nicht mehr hin.
Da haben seine Eltern die Notbremse gezogen - und ihn an eine andere Schule geschickt. „Er bekommt dort bessere Noten und geht wieder mit Freude zur Schule“, erzählt Reinhard Schinke. Genauso ist die Geschichte dem Bürgermeister von Alsleben zu Ohren gekommen.
Von 23 Kindern wurden dieses Jahr nur 14 in Alsleben eingeschult
Und es gibt an der Grundschule der Stadt offenbar noch mehr Kinder, die sich dort nicht mehr wohlfühlen, bzw. Eltern, die ihre Kinder nicht mehr guten Gewissens dort hinschicken. „Immer mehr Eltern schulen ihre Kinder lieber in Beesenlaublingen oder Plötzkau ein“, sagt Schinke. Für ihn eine besorgniserregende Entwicklung.
„Unsere Schule blutet aus“, fürchtet er. In diesem Schuljahr sind lediglich 14 Kinder eingeschult worden. Nach Informationen des Schulträgers, der Verwaltung in Saale-Wipper, gab es aber 23 Einschüler: 9 Eltern müssen sich also nach Alternativen umgeschaut haben. „Das muss Ursachen haben“, meint Schinke.
Für die schlechte Stimmung spricht auch, dass im vergangenen Jahr 3 Schüler während des Schuljahres ab- und an einer anderen Schule in der Nähe angemeldet wurden, ebenso wie die ungewöhnlich hohe Zahl an Schulverweigerern (11).
Drei Schüler wurden mitten im Schuljahr ab- und an einer anderen Schule wieder angemeldet
Seit rund anderthalb Jahren soll es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen der Schulleitung und Eltern geben. Die ersten Hinweise habe es im Mai 2018 gegeben, sagt Verbandsgemeindebürgermeister Jan Ochmann (CDU). Und seither hätten sich häufig Eltern an Bürgermeister Reinhard Schinke sowie an den Vorsitzenden des Ausschusses für Kitas und Schulen in Saale-Wipper gewendet und ihre Sorgen geäußert.
So sollen immer wieder Kinder im Unterricht bloßgestellt worden sein. Schüler sollen vor der gesamten Klasse als „Fehler-Queen“ tituliert worden sein. Generell sei der Umgang mit den Kindern und der Umfang der Hausaufgaben kritisiert worden, zählt Jan Ochmann auf.
Wenn Eltern die Schulleitung daraufhin angesprochen hätten, seien die Probleme wegdiskutiert worden. Mütter und Väter sollen zum Teil so eingeschüchtert worden sein, so dass sie gegenüber dem Bürgermeister von Angst sprachen. Angst davor, dass ihr Kind im Unterricht leiden muss, sobald sie sich kritisch äußern.
Auch Lehrer sollen die Grundschule wegen des dort herrschenden Klimas verlassen haben
„Es darf doch nicht wahr sein, dass Eltern Angst haben, Probleme anzusprechen“, sagt Siegfried Westphal, Stadtrat und Mitglied im Verbandsgemeinderat. Inzwischen hätten sich bereits örtliche Unternehmen und engagierte Einwohner, die die Schule immer unterstützt haben, abgewendet. Auch Lehrer hätten Alsleben schon den Rücken gekehrt.
Das alles ist seit über einem Jahr dem Landesschulamt in Halle bekannt. Und auch dort hatte man die Situationen als so verfahren eingeschätzt, dass ein Mediator - also ein Vermittler - eingesetzt werden sollte. Mehr als ein halbes Jahr sei dann aber nichts passiert, erzählt Ochmann.
Fristen ließ man einfach verstreichen. Im Juni dieses Jahres schließlich wurden Bürgermeister und Schulträger darüber informiert, „dass einem Mediationsverfahren keine Erfolgsaussichten eingeräumt werden“.
In den folgenden Monaten passierte wiederum nichts - bis Anfang November. Schließlich suchten Stadträte und Verwaltung als letzten Ausweg den Schritt in die Öffentlichkeit. Auch darüber war das Amt vorab informiert. „Wir haben anderthalb Jahre die Füße stillgehalten, das Schulamt hat nicht reagiert“, sagte Bürgermeister Schinke, dem die Grundschule wie auch den Stadträten am Herzen liegt.
„Wir haben anderthalb Jahre die Füße stillgehalten, das Schulamt hat nicht reagiert“, ärgert sich Bürgermeister Schinke
Vor drei Jahren noch habe man die ehemalige Sekundarschule mit Hilfe der Saalemühle umgebaut, so dass die Grundschule einziehen konnte. Damals hatte man Sorge, dass der Platz im alten Gebäude nicht ausreicht. Doch inzwischen sinkt die Schülerzahl - aktuell sind es 91 Kinder -, und die Stadträte sowie der Bürgermeister fürchten, dass die Schule irgendwann schließen muss, weil die Zahl zu niedrig ist.
Auch die MZ wird auf Nachfrage im Bildungsministerium in Magdeburg immer wieder hingehalten. Es wird lediglich auf die freie Schulwahl verwiesen und dass man sich zu der Frage, ob Lehrer die Schule verlassen haben und warum, nicht äußert. Schulleiterin Steffi Gerlich hätte dagegen gern Stellung genommen. „Allerdings nur, wenn das Schulamt grünes Licht gibt“, sagte sie der MZ. Das war dann offenbar nicht der Fall.
In dieser Woche gab es ein Gespräch im Schulamt in Halle
Etwas Bewegung ist dann doch in die Sache gekommen, denn es hat in dieser Woche ein Gespräch im Landesschulamt mit dem Schulträger gegeben. „Dort wurde uns versichert, dass intensiv an einer Lösung gearbeitet wird“, zeigt sich Verbandsgemeindebürgermeister Jan Ochmann zuversichtlich. (mz)