"Himmelswege" Ringheiligtum in Pömmelte: Ort ist neue Station auf archäologischer Erlebnisroute
Halle (Saale)/Pömmelte - Ein Luftbild mit Koordinaten und ein Eintrag vom Landesmuseum für Vorgeschichte. Es waren zwei Zettel, die die Arbeitsgrundlage von André Spatzier für seine späteren Grabungen auf einem Feld nahe dem Ort Pömmelte (Salzlandkreis) bildeten. Das war im Jahr 2005.
Heute steht an der Stelle eine Rekonstruktion einer rund 4 300 Jahre alten Kreisgrabanlage, die laut Fachkreisen mindestens ebenso bedeutsam sein soll wie das berühmte Stonehenge in England. Und die deshalb nicht nur den „Himmelswegen“ im Süden Sachsen-Anhalts neue Impulse verleihen, sondern zu dem neuen Tourismusmagneten im Land werden soll.
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte am Dienstag zur Eröffnung des Ringheiligtums, so der offizielle Name, die Anlage habe „gesamt sachsen-anhaltische Bedeutung“.
Und die wohl ebenso untrennbar mit dem Namen ihres Entdeckers Spatzier verbunden sein wird, wie Ludwig Borchardt und die Büste der Nofretete, die er 1912 in der Wüste Ägyptens fand.
Solche Vergleiche mag Spatzier zwar nicht, gleichwohl widmete der heute 40-Jährige zehn Jahre seines Lebens der Kreisgrabenanlage, schrieb zudem seine Doktorarbeit über das Ringheiligtum. Vor allem in den Sommermonaten legte der Archäologe mit Studenten der Uni Halle und weiteren Helfern aus der Region um Schönebeck Stück für Stück der aus der Bronze-Zeit stammenden Anlage frei.
Zeitintensive Ausgrabungen
Ungezählte Stunden verbrachte er im Staub, um auszugraben, was Menschen an diesem für sie heiligen Ort vor Jahrtausenden hinterließen. „Unsere Entdeckungen wurden jedes Jahr aufs Neue getoppt.“
Anfangs sei er für den Vergleich mit der südenglischen Kultstätte Stonehenge zwar belächelt worden, mittlerweile haben sich viele seiner Einschätzung von einem Meilenstein der Kulturgeschichte angeschlossen.
Denn laut dem Landesarchäologen Harald Meller aus Halle kamen an diesem Ort, einige Kilometer entfernt von Magdeburg, bereits vor rund 5 000 Jahren verschiedene Kulturen zusammen. Türken sowie Menschen aus den Steppen Südrusslands seien die ersten Bauern in Mitteldeutschland gewesen, sagte er zur Eröffnung.
Beim Zusammentreffen habe es zwar dramatische Auseinandersetzungen gegeben. Allerdings entstand mit dem Bau des Ringheiligtums eben auch ein gemeinsamer Ort des Friedens. „Daran sehen wir: Der europäische Gedanke war immer schon da“, sagte Meller.
Auch Haseloff hatte zuvor mit Blick auf die Förderung des über zwei Millionen Euro teuren Projekts betont, dass das alles ohne Europa nicht möglich gewesen wäre.
Blutige Rituale in der Vergangenheit
Gleichwohl spielten sich über einige Jahrhunderte hinweg an diesem Ort wahrscheinlich blutige Rituale ab. Bei seinen Grabungen fand Chef-Forscher Spatzier neben Keramikgefäßen vor allem Schädel und Knochen, die zumeist von Frauen und Kindern stammten. Diese wurden innerhalb der 115 Meter großen und mit rund 2 000, teilweise bunten Robinienstämmen nachempfundenen Anlage an mehreren Stellen vergraben. Steinplatten zeugen heute von diesen Fundstellen.
Spatzier zeigt sich auch deswegen begeistert, weil es der einzige Ort sei, „an dem wir eindeutig diese Rituale nachweisen können“. An vergleichbaren Stellen im Land gebe es lediglich Verfärbungen des Bodens - ähnlich wie die, die 1991 bei Untersuchungen aus der Luft nahe Pömmelte gefunden wurden.
Ob die Kreisgrabenanlage mit diesem Alleinstellungsmerkmal aber wirklich ein Tourismusmagnet wird? Spatzier wünscht sich das zwar, allerdings sollte man seiner Meinung nach nicht alle Möglichkeiten nutzen, „um den Ort mit Leben zu erfüllen“. Im Gespräch sind neben Konzerten auch Oldtimer-Treffen.
Tatsächlich fehlt es trotz der langen Ausgrabungs- und Bauzeit noch an Vermarktungskonzepten. Während sich Markus Bauer (SPD), Landrat des Salzlandkreises, die kräftige Unterstützung des Landes wünscht, wie er zur Eröffnung sagte, nahm Ministerpräsident Haseloff die Akteure vor Ort in die Pflicht.
Fest steht bisher nur, dass die Investitions- und Marketinggesellschaft mbH das sachsen-anhaltische Stonehenge über das Tourismusportal überregional bewirbt, wie das zuständige Wirtschaftsministerium auf MZ-Anfrage mitteilte.
Die verbindende Hoffnung aller: Radtouristen, die etwa auf dem Elbe-Radweg das Land erkunden, sollen länger in der Region bleiben. Allein: Es mangelt noch an der notwendigen Ausschilderung an den Wegen. Gedacht ist die Anlage allerdings auch für Schüler. Die sollen laut Haseloff nicht nur nach Süd-Tirol fahren, sondern künftig auch die identitätsstiftende Geschichte in Pömmelte erleben. (mz)