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Meister der Düfte Meister der Düfte: Sven Pritzkoleit ist einer der besten Parfumeure Deutschlands

Von Julius Lukas 04.05.2018, 10:00
Sven Pritzkoleit aus Barby im Salzlandkreis ist einer der besten Duftmischer Deutschlands.
Sven Pritzkoleit aus Barby im Salzlandkreis ist einer der besten Duftmischer Deutschlands. Andreas Stedtler

Barby - Der Klippschliefer ist ein possierliches Tierchen. Irgendetwas zwischen Erdmännchen und Murmeltier. In Afrika lebt er vor allem auf steinigem Untergrund.

Und auf den Felsen hinterlässt er etwas, das für Parfumeure wie Sven Pritzkoleit sehr wertvoll ist: kleine Klumpen, die wie Erdbrocken aussehen und wie ein Raubtierhaus mit schlechter Belüftung riechen.

Bei Sven Pritzkoleit entstehen aus Tierkot teure Düfte

Es sind die Exkremente der Schliefer - Hyraceum genannt. Aus diesem Duftstoff, den man im Internet bestellen kann, hat Pritzkoleit eine Tinktur hergestellt und dann ein Parfum daraus gemacht. „Hyrax“ ist sein Name. „Das ist eine Kreation, die es so noch nie zuvor gab“, sagt der 48-Jährige.

Pritzkoleit verwendet oft solch extravagante Rohstoffe. In seinem Labor in Barby (Salzlandkreis) bewahrt er Flaschen mit Mimosen-Öl, Tonkabohnen-Extrakt und anderen exotischen Zutaten auf.

Sven Pritzkoleit ist Sachsen-Anhalts einziger Parfumeur

Pritzkoleit ist der wohl einzige hauptberufliche Parfumeur in Sachsen-Anhalt - und noch dazu einer der besten Duftmischer in Deutschland. Die Kreationen des 48-Jährigen werden in Portugal, Kanada und den USA verkauft.

Und vergangenes Jahr war er Finalist beim Art and Olfaction Award - einem der begehrtesten Preise in der Welt der guten Gerüche.

Der Duft in seinem Labor ist allerdings gerade gewöhnungsbedürftig - woran nicht der Schliefer-Kot Schuld hat. Eine herbe Note liegt in der Luft. Ledern und etwas bitter.

Sven Pritzkoleit testet, wie sich Düfte verändern

„Das ist Zibet“, sagt Pritzkoleit und nimmt einen Glaskolben aus dem Regal. Darin ist eine braune, eingetrocknete Flüssigkeit. „Zibet“ ist das Analdrüsensekret einer Schleichkatze.

In der Parfumindustrie ist es wegen seines moschusartigen Geruchs beliebt. Allerdings wird es heute synthetisch hergestellt - vor allem um die Zibetkatzen zu schonen.

„Das habe ich schon mehrere Monate da drin“, sagt Pritzkoleit mit Blick auf den Kolben. Je näher man dessen Öffnung kommt, desto mehr fühlt man sich an Dixi-Toiletten nach einem Festivalwochenende erinnert.

„Ich lasse das offen, weil ich wissen will, wie sich der Geruch verändert“, sagt der Parfumeur. Solche Langzeitexperimente sind wichtig für ihn.

Sven Pritzkoleit brachte sich die Parfüm-Herstellung selber bei

Pritzkoleit ist Autodidakt. Sein Wissen über die Herstellung von Düften hat er sich selbst beigebracht. Tausende Rohstoffe musste er immer wieder riechen, um so seine Nase zu schulen. „Bis man die wirklich verinnerlicht hat, vergehen viele Jahre.“

Schon in seiner Kindheit hatte Pritzkoleit eine besondere Beziehungen zu Gerüchen. Bei ihm sind Erinnerung an Düfte geknüpft: die geöffneten Mohnkapseln im Garten seiner Großmutter, die Kernseife seines Opas, wenn der sich rasierte oder „Magie Noire“, das französische Parfum, das seine Mutter mit großem Glück im Exquisitladen kaufen konnte.

Die DDR habe für ihn nicht, wie oft gesagt wird, nach den Auspuffabgasen des Trabant oder der Chemieindustrie in Bitterfeld gestunken. „Tatsächlich roch es in überfüllten Bussen und Bahnen und überall, wo sich Menschen näher kamen, eben nach Mensch.“

Sven Pritzkoleit entdeckte seine Begabung bei der NVA

Seine Begabung, Aromen besonders gut wahrzunehmen, wurde Pritzkoleit aber erst bei der Armee bewusst. Seinem geplanten Pharmaziestudium stand 1988 der Grundwehrdienst bei der NVA im Weg.

Er kam in die Funktechnische Abteilung nach Hinrichshagen bei Rostock . Einer seiner ersten Wege führte den jungen Mann in die Bibliothek der Kaserne. Und dort macht er eine Entdeckung, die ihm anschließend „einige schlaflose Nächte“ bereitete.

Zwischen Ostrowskis „Wie der Stahl gehärtet wurde“ und Gorkis „Mutter“ stand da „Das Parfum“.

Roman Das Parfüm veränderte sein Leben

Der Weltbestseller von Patrick Süskind sollte sein Leben verändern. „Das Buch erzählt so viel über die Historie und Techniken der Parfumherstellung“, sagt Pritzkoleit.

Er entschied, das Handwerk auch erlernen zu wollen. „Nach dem Pharmazie-Studium arbeitete ich trotzdem in der Apotheke meiner Eltern.“ Jede freie Zeit allerdings verbrachte Pritzkoleit im Duftuniversum.

Der herbe Zibet-Geruch im Labor verschwindet durch einen Druck auf den kleinen Sprüh-Flakon. Das Animalische wird durch eine lockere Frische ersetzt. Fruchtig und leicht staubig - als hätte man sich gerade das Gesicht gepudert.

Sven Pritzkoleit hat „Powder and Dust“ auf einen weißen Teststreifen gesprüht - eine seiner neuesten Schöpfungen. Den Duft hat er zusammen mit der Parfum-Testerin Yana Tommelise entwickelt.

Sven Pritzkoleit transportiert durch Düfte Stimmungen

„Wenn man damit beginnt, überlegt man sich erst einmal, welche Stimmung man transportieren will“, erklärt Pritzkoleit. Mit dieser Vision im Kopf, beginnt man dann zu kombinieren. Was dabei herauskommt, bezeichnet der Duftmischer selber als „Nischen-Parfum“.

Dahinter steckt eine Szene, die seit gut 15 Jahren in den USA immer größer wird und sich auch in Europa verbreitet: Kleine Label, die experimentelle Düfte in geringen Stückzahlen produzieren und natürliche den synthetischen Substanzen vorziehen.

Pritzkoleit sieht sich als Teil dieser Bewegung. Seine Produkte vertreibt er unter dem Label SP-Parfums. Er hat es 2016 gegründet, nachdem die Apotheke seiner Eltern schließen musste.

Sven Pritzkoleit mischt jeden Duft selber an

Jeden Duft mischt er selber an, die Etiketten der Verpackung sind handbeschriftet. „Damit heben ich mich vom Massenmarkt der Großdrogerien ab“, sagt Pritzkoleit.

Dort gebe es kaum Innovationen, weil neue Düfte sich vor allem an den Erfolgen der vorherigen Parfums orientieren. Es fehle deswegen an Tiefe und Variabilität.

Das sehe auch seiner Zielgruppe so. „Die suchen Abwechslung, weil sie die immer gleich riechenden Industrieparfums satt haben.“

Im Labor sprüht Sven Pritzkoleit nun „Pink Patchouli“ auf einen Papierstreifen - sein erstes eigenes Parfum, 2008 entworfen. Es riecht blumig, etwas pfeffrig und - durch das Patchouli - auch würzig.

Sven Pritzkoleits Düfte sollen die Menschen in andere Welten entführen

Als nächstes kommt „Funfair“ - übersetzt bedeutet der Name Jahrmarkt. Und sofort schwirren Zimtnoten und das Aroma von karamellisiertem Zucker durch die Luft - es ist, als würde man auf dem Rummel neben dem Stand mit Zuckerwatte und kandierten Mandeln stehen. „Jedes Parfum soll in eine eigene Welt entführt“, sagt Pritzkoleit.

Dann folgt noch „Hyrax“, das Parfum aus Klippschliefer-Kot. Es ist eine Auftragsarbeit für eine kanadische Marke, die ihre Düfte Tieren widmet - Elefant, Fledermaus, Biber - und nun eben Schliefer.

„Die Kunst ist es, um den einen Ausgangsstoff herum ein Parfum zu bauen“, sagt Pritzkoleit. Er sprüht das Hyrax auf den Papierstreifen. Eine wuchtige Note verbreitet sich. Mineralisch, pfeffrig - vom Raubtierhaus ist kaum noch etwas da.

Bei Hyrax hatte Sven Pritzkoleit den richtigen Riecher

Je länger der Duft wirkt, desto gefälliger wird er. Hyazinthen und eine gewisse Seifigkeit werden präsent. „Sicher ist das ein Duft, der polarisiert“, sagt Pritzkoleit. Aber gerade das sei ja spannend daran.

Den ersten Erfolg hat er auch schon mit Hyrax gefeiert. Ein bekannter Parfum-Laden in Los Angeles (USA) hat sich für ein Jahr die exklusiven Verkaufsrechte an dem umgerechnet etwa 120 Euro teuren Duft gesichert.

„Das ist schon eine schöne Auszeichnung“, sagt Pritzkoleit. Es scheint, als habe er mit „Hyrax“ den richtigen Riecher gehabt. (mz)

Mehr Informationen zu den Parfums von Sven Pritzkoleit gibt es unter: www.sp-parfums.de