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Landgericht Magdeburg Landgericht Magdeburg: Bewährung für Messerstecher aus Güsten

Von Torsten Adam 08.03.2017, 09:45
Ein Mensch wird mit einem Messer bedroht.
Ein Mensch wird mit einem Messer bedroht. Symbolbild/dpa

Magdeburg/Güsten - Das Landgericht Magdeburg hat am Dienstag nach siebenstündiger Verhandlung einen 37-jährigen Güstener zu einer Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren, ausgesetzt zu einer dreijährigen Bewährungszeit, und 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

Blutiger Streit im Treppenhaus

Die 1. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Dirk Sternberg sah es als erwiesen an, dass sich der Hartz-IV-Empfänger bei einer blutigen Auseinandersetzung vor gut einem Jahr im Treppenhaus eines Wohnblocks an der Neundorfer Straße der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hatte. Sein Widersacher, ein dort wohnender 35 Jahre alter Mann, überlebte zwei Messerstiche in den Mundbodenbereich nur dank einer Notoperation im Ameos-Klinikum Aschersleben.

Das spätere Opfer war nach Auffassung des Gerichts am Morgen des 7. Januar 2016 aus seiner Wohnung im zweiten Obergeschoss wütend nach unten gestürmt, um den Angeklagten, dessen Oma parterre wohnt und bei der er übernachtet hatte, zur Rede zu stellen. Denn er wollte ihn in der vorangegangenen Nacht beim Diebstahl seines Handwagens auf dem Hof beobachtet haben.

Angriff mit einem Golfschläger

Vermutlich drosch er dabei mit einem Golfschläger auf den Angeklagten ein, der dabei zu Bruch ging. Der Beschuldigte zückte ein Küchenmesser und stach mindestens dreimal zu. Zwei Stiche trafen den Angreifer im oberen Halsbereich, ein weiterer schlitzte seinen Unterarm auf. Ob dies der genaue Ablauf am Tattag war, ließ sich vom Gericht nicht 100-prozentig rekonstruieren. Auch deshalb nicht, weil es an der Glaubwürdigkeit beider Männer, die mal gute Freunde gewesen waren, Zweifel gab.

Männer waren einmal gute Freunde

So ließ der arbeitssuchende Verletzte, dem in Folge des Geschehens ein posttraumatisches Belastungssyndrom attestiert wurde und der sich auch aufgrund von Drogen- und Alkoholproblemen in stationärer Behandlung befindet, bei der Polizei noch protokollieren, sein Gegner habe den ersten Schlag geführt. Dieser Darstellung widersprach er nun. Die 65-jährige Nachbarin, die die Polizei alarmierte hatte, konnte ebenso wenig zur Aufklärung beigetragen. Sie war erst ins Treppenhaus gekommen, als bereits alles voller Blut war.

Der redselige Angeklagte hatte zunächst vehement bestritten, ein Messer eingesetzt zu haben. Stattdessen wollte er sich mit den Scherben einer Kaffeetasse verteidigt haben. Doch das Gutachten des Rechtsmediziners Norbert Beck strafte ihn Lügen: „Die hier vorliegenden Bruchstücke der Tasse halte ich für ungeeignet, derartige Verletzungen zuzufügen.“

Gutachter widerlegt angeblichen Angriff mit Scherben

Vielmehr spreche der schmale Einstich und der lange Stichkanal - die beiden Wunden unter dem Mund waren je sechs Zentimeter tief - für ein Messer. Nach dem Appell des vorsitzenden Richters und einer Pause räumte der Angeklagte schließlich ein: „Ich habe doch ein Messer gehabt.“ Ein kleines Küchenmesser mit einer rund zehn Zentimeter langen Klinge soll es gewesen sein, das er in der Hosentasche trug, weil er es für die Winterfütterung der Vögel vor dem Haus brauchte.

Tatwaffe ist bis heute verschwunden

Verschwunden ist dieses Tatwerkzeug bis heute. „Ich habe es irgendwo hingepackt“, wollte oder konnte sich der 37-Jährige nicht mehr erinnern. Auch eine Suche der Polizei gleich nach der Tat in der Umgebung sowie in der Wohnung der Großmutter war erfolglos geblieben.

Oberstaatsanwältin Eva Raape revidierte nach der Beweisaufnahme die Anklage wegen versuchten Totschlags, da der Beschuldigte das nach oben in seine Wohnung laufende Opfer nicht verfolgt hatte, um die Tötung zu vollenden. Dennoch hielt sie eine dreieinhalbjährige Haftstrafe, ebenso wie die Nebenkläger-Anwältin, für angemessen.

Verteidiger plädierte auf Notwehr

Verteidiger Volker Herbst plädierte für Freispruch, weil sein Mandant in Notwehr gehandelt habe. Diese wollte das Gericht in seinem Urteil nicht sehen. Denn der Angeklagte sei nicht in einer solch unterlegenen Lage gewesen, dass der Einsatz des Messers das letzte Mittel für ihn war. (mz)