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Krebskranke aus Nachterstedt Krebskranke aus Nachterstedt: Stammzellen-Spender dringend gesucht

Von Regine Lotzmann 14.12.2016, 17:21
Claudia Schestow nimmt Enrico Kühne Blut ab. Der Zusteller hat sich in Hoym als Stammzellenspender registrieren lassen, um zu helfen.
Claudia Schestow nimmt Enrico Kühne Blut ab. Der Zusteller hat sich in Hoym als Stammzellenspender registrieren lassen, um zu helfen. Frank Gehrmann

Hoym - „40 Euro gegen ihr Leben? Aber hallo“, ruft die blonde Frau und holt das Geld aus der Tasche. „Wer über 40 ist, muss die Untersuchung selbst bezahlen“, erklärt Conny Buder, die mit ihrem Team von der Interessengemeinschaft Blutspende Hoym für den Dienstagabend kurzerhand eine Blutspende-Aktion ins Leben rief.

Das Besondere daran: Hier wird neben der normalen Blutspende vor allem nach einem Stammzellspender für Astrid Neubauer-Engel gesucht, die an Lymphdrüsenkrebs leidet - und dringend Hilfe braucht.

„Ich bin völlig überwältigt, ich hätte nie vermutet, dass das solche Kreise zieht“, gesteht die zierliche Frau angesichts solcher Hilfsbereitschaft. Und so wollte sie unbedingt mit ihrem Mann bei der Aktion vorbeischauen, an deren Ende immerhin 100 Blutspenden und 25 Typisierungen zu verzeichnen sind. Um Danke zu sagen.

Denn durch die Hoymer Sonderaktion konnten sich die potenziellen Spender im Seeland den weiten Weg nach Magdeburg sparen. Zudem war die Typisierung, für die den Freiwilligen neben der normalen Blutspende einfach noch ein weiteres Röhrchen Blut abgenommen wurde, für 18- bis 40-Jährige kostenlos.

„Das hat mich erst völlig überrollt“, gesteht die Nachterstedterin, die mit ihrer Krankheit immer offen umgegangen ist, aber nie im Mittelpunkt stehen wollte. Doch als ihr Mann und eine ihrer beiden Töchter sich mit einem Stand auf den Weihnachtsmarkt ihres Heimatortes stellten, um Geld für die Typisierung von Knochenmark- und Stammzellspendern einzuwerben, wurde ihr nach einem MZ-Artikel genau diese Aufmerksamkeit zuteil.

Große Anteilnahme

„Als ich aber all diese Anteilnahme spürte, so viele Menschen Geld spendeten oder sich sogar typisieren ließen, habe ich beschlossen, mit meinem Gesicht und meinem Namen auch öffentlich dafür einzustehen“, erklärt Astrid Neubauer-Engel ihren Sinneswandel. Und hebt fast entschuldigend die Schultern: „Und wenn mir nicht geholfen wird, dann vielleicht irgendjemand anderem auf dieser Welt.“

Denn der Lymphdrüsenkrebs kann durch eine Stammzellengabe geheilt werden. Dabei werden die Lymphome, entartete Zellen, per hochdosierter Chemo- oder Strahlentherapie zerstört. Das schädigt aber auch das Knochenmark der Krebskranken. Deshalb muss auf diese Therapie die Transplantation gesunder Stammzellen folgen.

Nächste Chemotherapie kurz vor Weihnachten

Die 47-Jährige hat gerade erst wieder einen Chemotherapie-Zyklus hinter sich. Den nächsten, sagt sie, gibt es kurz vor Weihnachten. Matt fühlt sie sich und müde. Und blass ist sie auch. „Doch diese Chemotherapie habe ich besser vertragen als die anderen.“ Und das waren schon einige.

Denn entdeckt wurde der Krebs im Dezember vor zwei Jahren. „Ich war immerzu müde und entdeckte dann ein richtiges Ei am Hals“, erzählt die Nachterstedterin von einem geschwollenen Lymphknoten. Die Hausärztin untersuchte das Blut und schickte sie nach Magdeburg in die Uniklinik. „Dort ging dann das große Programm los: Blutuntersuchung, OP, die eigene Stammzellspende...“ Doch das habe nicht geholfen und so begann die Suche nach dem genetischen Zwilling.

380 Arztbesuche

Ihr Mann hat sich die Mühe gemacht und die Arztbesuche mal gezählt: 380 waren es. „Da waren auch die Fahrten zur Physiotherapie oder zur Apotheke dabei, zur Computertomographie oder nach Magdeburg, wo ich meine Frau in der Uniklinik besuchte“, listet Thomas Engel auf. „Und wenn es nur war, um ihr Leitungswasser von zu Haus zu bringen.“

„Ich konnte nichts anderes mehr trinken - durch die Chemo“, erzählt die 47-Jährige, die es mehr als zu schätzen weiß, dass ihr Mann und ihre Kinder ihr so beistehen. Und all die anderen Menschen: Freunde, Kollegen, Bekannte, aber auch völlig Fremde. „Wir haben alles aufgeschrieben“, sagt Astrid Neubauer-Engel und ihr Mann holt eine Liste hervor.

Geld vom Autohaus und von Handballern

„Es gab Spenden vom Chiemsee und aus Sachsen, das Mazda-Autohaus aus Aschersleben hat in einer Größenordnung Geld gegeben und meine Kollegen haben vor einem Handballspiel in Staßfurt 222,40 Euro gesammelt“, erzählt der Polizist von einem Spiel des HV Rot-Weiß Staßfurt gegen Grubenlampe Zwickau.

Die Jugendabteilung des SC Seeland habe gemeinsam mit der Sportplatzgaststätte 237 Euro gespendet. „Und die WB Werbung aus Hoym hat uns neben der Spende auch noch das Auto kostenlos beklebt“, zeigt sich Engel dankbar, auf dessen Gefährt nun die Internet-Adresse der Knochenmarkspende prangt.

16.000 Spender in Sachsen-Anhalt

„Gerade vorhin hat auch eine Kollegin angerufen. Sie stehe in Magdeburg an der Uniklinik, wo sie jetzt hinmüsse, wenn sie sich typisieren lassen wolle“, zeigt sich Thomas Engel ganz aufgewühlt und meint: „Irgendwo wird ein Treffer dabei sein. Für uns oder andere.“ Und die Chancen stehen gut. Nie zuvor hätten sich in Sachsen-Anhalt so viele Menschen in der Deutschen Knochenmarkspenderdatei eintragen lassen wie in diesem Jahr. 16.000 waren es bis Mitte Dezember.

„Und das kommt an“, nickt seine Frau. Dass etwa für die leukämiekranke Dessauer Lehrerin, für die ebenfalls viele Aktionen liefen, nun ein Spender gefunden wurde, habe sie gerade im Radio gehört. „Und ich freue mich so für sie“, sagt die Pharmazieingenieurin. Auch ihr wollen die Menschen helfen. „Das kann jeden treffen“, begründet die 26-jährige Lisa Scholz aus Hoym, warum sie sich registrieren lassen will. Und Steven Voitel stimmt zu: „Das ist doch normal, man kann damit Menschen retten.“ (mz)

Thomas Engel, der Ehemann der Erkrankten Astrid Neubauer-Engel, füllt Unterlagen aus, weil er auch Blut spenden möchte.
Thomas Engel, der Ehemann der Erkrankten Astrid Neubauer-Engel, füllt Unterlagen aus, weil er auch Blut spenden möchte.
Frank Gehrmann
Astrid Neubauer-Engel (l.) dankt Conny Buder und ihrem Team sowie dem DRK für die kurzfristige Spenderaktion.
Astrid Neubauer-Engel (l.) dankt Conny Buder und ihrem Team sowie dem DRK für die kurzfristige Spenderaktion.
Gehrmann