Sachsen Sachsen: Schlossherr aus Leidenschaft
Scharfenberg/dpa. - Gert Lippold steht vor den Trümmern, dieeinmal eine Mauer waren. Imposante 20 Meter lang, zehn Meter hoch,umfasste sie die Nordwestseite des Schlosses. Im Mai vergangenenJahres gab die Erde plötzlich nach, ein gewaltiges Stück der Mauerrutschte ab. «Die wurde im 18. Jahrhundert offenbar stümperhaftdirekt auf einen Felsen gebaut», erklärt der Herr vom SchlossScharfenberg, das hoch über der Elbe auf einem Felsvorsprung thront.Nur ein paar Zentimeter liegen zwischen dem Erdrutsch und derSchlossmauer. «Das geht an die Substanz», sagt Lippold. In diesemFrühling soll die Sanierung beginnen, Lippold rechnet mit Kosten vonmindestens 80 000 Euro.
Glück im Unglück: Der Schlossbetrieb wird nicht beeinträchtigt.Gäste bekommen die Stelle nicht zu Gesicht, sie liegt am hinterenTeil der Burg, versteckt zwischen Bäumen. Und dennoch ist der Sturzein Rückschlag für den 67-Jährigen, der Scharfenberg 1997 kaufte undseitdem Stück für Stück restaurierte. Unterstützung bekam er dabeivom Land Sachsen und von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Das um1200 errichtete Schloss in der Nähe von Meißen gehört zu den ältestenBurganlagen in Sachsen. Nachdem ein Teil im Dreißigjährigen Krieg zuBruch ging, wurde es im Renaissancestil umgebaut.
Lippold weiß, dass viel Arbeit vor ihm liegt. Doch davon lässtsich der gebürtige Thalheimer (Erzgebirge) nicht entmutigen. Er istSchlossherr aus Leidenschaft. Und hat ein eisernes Lebensmotto:«Identität definiert sich über Widerstand», erklärt er. NeueHerausforderungen spornen ihn an.
Davon gibt es auf Schloss Scharfenberg genug. Immerhin muss dierund vier Hektar große Anlage unterhalten werden. Und zahlreiche neueProjekte stehen an: Nach historischem Vorbild will Lippold einenWehrturm mit Renaissancegiebel errichten, aus dem Schlossteich, dereher einem Tümpel gleicht, soll ein Swimmingpool werden, neueFerienwohnungen sind geplant. Der Kunstsammler, der jahrelang eineGalerie in Amsterdam betrieb, hat noch viele Pläne.
Dabei erinnert sich Lippold noch gut an den ersten Eindruck, alser das Schloss übernahm. «Eine echte Ruine.» Wenn es stürmte undregnete, tropfte es überall. Meterhoch türmte sich der Schutt in demLaubengang, Decken waren eingebrochen, Türen herausgerissen. Heutegibt es 15 liebevoll restaurierte Gästezimmer, im Musiksalon mit derhistorischen Kassettendecke und dem Rittersaal nebenan werden beinahejedes Wochenende Hochzeiten gefeiert. Zahlreiche Besucher kommenregelmäßig zu den Lesungen, Konzerten und Filmabenden.
Höhepunkt ist das romantisch-poetische Schloss-Spektakelalljährlich im Herbst nach dem Novalis-Motto «Hast auch Du einGefallen an uns, dunkle Nacht?» Es knüpft an eine lange Tradition an,schließlich war das Schloss Anfang des 19. Jahrhunderts Treffpunktzahlreicher Romantiker: Schriftsteller wie Novalis, E.T.A. Hoffmannoder der Maler Caspar David Friedrich waren begeistert von derwildromantischen Lage der Burg.
Ein Zauber, den Lippold heute noch spüren kann. Vor allem imWinter, wenn es ruhiger wird im Schloss. Dann steht er gern zeitigauf, geht in sein Arbeitszimmer hoch oben im Turm. «Wenn die Sonneaufgeht und Nebel aus dem Tal steigt, stehe ich da - und denke dasist einfach nur fantastisch.»