Sachsen Sachsen: In Ostritz lebt der Traum von der Ökostadt

Ostritz/dpa. - «Energieautark zu sein - das wäre ein ehrgeiziges Ziel», räumt Marion Prange ein. Die parteilose Bürgermeisterin vonOstritz ist überzeugt, dass ihr Heimatort dafür keine schlechteAusgangsposition hätte. Die sächsische Kleinstadt an derdeutsch-polnischen Grenze setzt auf Wasser, Wind, Sonne undnachwachsende Rohstoffe, um daraus Strom und Wärme zu gewinnen. Für die Weltausstellung Expo 2000 in Hannover entwickelte sie sogar das Konzept einer energie-ökologischen Modellstadt. Doch einer wirklichen Selbstversorgung steht bislang einiges im Wege - Hürden, auf die eine einzelne Kommune schlichtweg keinen Einfluss hat.
Das Ostritzer Modell soll die Möglichkeiten für einen Mix ausregenerativen Energien zeigen. Dazu entstanden mehrereDemonstrationsanlagen. 1998 ging ein Biomasseheizkraftwerk inBetrieb, das heute allerdings teilweise nicht mehr rentabelarbeitet. Neben Holz sollte darin ursprünglich auch Rapsöl verheizt werden. Mit Kosten von knapp 36 Cent pro Liter war seinerzeit kalkuliert worden. Doch der Preis für Pflanzenöl ist - gekoppelt an den Mineralölpreis - inzwischen in unerschwingliche Höhen geklettert. «Dort hat uns dieZeit überholt», gesteht Prange.
Längst ist der Ölkessel abgeschaltet, mit dem über einen Generator nicht nur Strom erzeugt werden könnte, sondern sogar Fernwärme über das Kühlwassersystem. Die beiden Kessel, die mit Holzhackschnitzel gefüttert werden, haben sich dagegen im Heizkraftwerk tadellos bewährt. Über ein mehr als 15 Kilometer langes Leitungsnetz wird an fast 290 Haushalte Fernwärme geliefert. Angeschlossen sind mittlerweile etwa 70 Prozent der Privathäuser, Firmen und Einrichtungen in Ostritz. Das lohne sich durchaus: Die Bürgermeisterin verweist auf eine Studie von 2009, in der Fernwärme als die kostengünstigste Art des Heizens ausgewiesen worden sei.
Wer in eine neue Heizung investieren muss, überlegt daher wohl zu Recht, ob er die ökologisch erzeugte Wärme aus dem öffentlichen Netz bezieht. So geschehen nach der verheerenden Neißeflut im August 2010, als viele Sanierungen anstanden. «Durch das Hochwasser haben wir Kunden gewonnen», sagt die Bürgermeisterin. Noch habe das örtliche Heizwerk zu etwa 25 Prozent freie Kapazität.
Im Ostritzer Ortsteil Leuba drehen sich neun Windräder, die Strom für immerhin 8800 Haushalte liefern - weitaus mehr, als die rund 2500 Ostritzer selbst benötigen. Noch wird die alternative Energie nicht da verbraucht, wo sie erzeugt wird. Vor Ort fehlen dafür Speichersysteme. «Wir hängen am Netz», macht Steffen Blaschke deutlich. Er ist Projektleiter im Internationalen Begegnungszentrum St. Marienthal in Ostritz, das grünen Strom über die Leitungen großerEnergieversorger bezieht.
Im Zisterzienserinnenkloster St. Marienthal selbst kann ausWasserkraft Energie gewonnen werden: für ein historischesSchausägewerk und eine Turbine zur Stromerzeugung. Beide Maschinen an der Neiße stehen derzeit jedoch still - zwangsläufig. «Das Hochwasser hat heftigen Schaden angerichtet», bedauert Blaschke. Oberhalb des Klosters arbeitet seit 1997 eine Pflanzenkläranlage. Sie reinigt das Abwasser aus etwa zehn Haushalten, die etwas abseits der Stadt liegen. Für die Siedlung hätte ansonsten extra eine 800 Meter langeKanalleitung zum Anschluss an den Ostritzer Klärbetrieb gebaut werden müssen.
Sonnenenergie will Ostritz künftig noch stärker nutzen. Bereitsexistierende Solaranlagen auf dem Feuerwehrhaus oder der seit 2007 geschlossenen Mittelschule hatten vor allem Modellcharakter. Nun wird weiter in Photovoltaik investiert, etwa auf dem Heizwerk, der Turnhalle oder dem Polizeiposten. «Wir wollen ein Zeichen setzen», sagt Bürgermeisterin Prange. Sie hofft, dass auch Privatleute dem guten Beispiel der Verwaltung folgen und damit letztlich die Entwicklung der Modellstadt vorantreiben helfen. «Es gibt viele Ideenfür die Zukunft.»
