Sachsen Sachsen: Der Bilderstreit von Chemnitz
CHEMNITZ/MZ. - "Das Bild zu lassen ist keine Alternative. Dass das Diskussionen geben wird, ist mir klar. Ich werde mich dem stellen." Am Freitag soll das umstrittene Werk entfernt werden.
Es geht um ein 30 Quadratmeter großes Gemälde mit dem Titel "Stadt der Moderne", das der Chemnitzer Benjamin Jahn Zschocke 2008 an die Wand des Speisesaals einer Berufsschule gemalt hat. Auftraggeber war der Förderverein der Schule, die Schulleitung billigte das Projekt. Nur den Eigentümer des Schulgebäudes - die Stadtverwaltung - informierte man nicht. Das Gemälde zeigt markante Gebäude von Chemnitz, so Markthalle, Rathaus und Opernhaus. Zu sehen sind auch Bauwerke, die während des Bombenangriffs am 5. März 1945 zerstört wurden. Der Markthallen-Kuppel setzte Zschocke in dem Bild ein sogenanntes Kelten-Kreuz aufs Dach, das es in der Realität dort nicht gibt.
Enthüllung abgesagt
An diesem Umstand und an der Biografie Zschockes entzündete sich die Diskussion, die dazu führte, dass die Stadtverwaltung die Enthüllung des Bildes im Oktober absagte. Seitdem ist das Gemälde mit Tapetenbahnen verhängt. Nach Ansicht von Petra Zais vom Beratungsteam gegen Rechtsextremismus ist das Kelten-Kreuz ein "rassisch-politisches Kampfabzeichen". In der rechten Szene sei es ein "Symbol für die Vormachtstellung der weißen Rasse". Mittlerweile habe der Bundesgerichtshof die öffentliche Verwendung des stilisierten Kelten-Kreuzes verboten. Für Zais ein Grund, das Gemälde zu beseitigen - auch wenn Zschocke das Kreuz nun gern tilgen würde.
Der zweite Grund liege in der Person Zschockes. Der 23-Jährige bezeichnet sich selbst als freischaffender Künstler. Die Vita auf seiner Internet-Seite nennt ausdrücklich die Verleihung des Wolfgang-Weidlich-Preises der Stadt Chemnitz im Jahr 2005. Mit anderen Informationen aus seinem Lebenslauf ist er allerdings nicht so freigiebig. So ist Zschocke nicht nur Mitarbeiter der Republikaner-Fraktion im Stadtrat, sondern auch Gründungsmitglied der Burschenschaft "Theodor Körner", die sich selbst eine nationale Haltung bescheinigt. Laut Zais habe die Organisation 2005 ein Forum zur Rassenlehre veranstaltet und soll dort die "öffentliche Tabuisierung der Rasseforschung" beklagt haben.
Burschenschaft mit gegründet
Zschocke selbst bestätigte, zu den Gründungsmitgliedern der Burschenschaft zu gehören; mittlerweile aber sei er ausgetreten. Und die Diskussionsrunde vor vier Jahren habe sich eher kritisch mit der Rassenlehre des Dritten Reiches auseinandergesetzt, betont er. Im übrigen aber habe all dies nichts mit seiner künstlerischen Arbeit zu tun - ebenso wie seine Mitarbeit bei den Republikanern. "Ich bin schließlich nicht einmal Mitglied dieser Partei", sagt er. Dass die Stadtverwaltung sein Wandbild jetzt beseitigen lassen wolle, sehe er als direkten Angriff auf seine künstlerische Freiheit.
Beim Sächsischen Künstlerbund, dem Fachgremium für die bildende Kunst im Freistaat, will man diese Frage so pauschal nicht beantworten. Allerdings bezieht Geschäftsführerin Lydia Hempel eine klare Position. "Auch wenn das Bild letztlich keine plakatischen ideologischen Inhalte zeigt, unterstützen wir keine Künstler, die sich mit rechten Parolen in der Öffentlichkeit äußern."
Der Autor des Textes ist Redakteur der Freien Presse (Chemnitz).