Kommentar zum Anschlag von Magdeburg Wir sind alle Magdeburger
Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt trifft das ganze Land ins Herz, meint MZ-Kommentator Kai Gauselmann. Die grausame Tat wirft auch Fragen auf, die dringend beantwortet werden müssen.
Ein Weihnachtsmarkt ist ein Ort des Lichts in dunkler Zeit. Buchstäblich, zumal in Magdeburg, wo die „Lichterwelt“-Aktion den Weihnachtsmarkt mit einer Million Lichter erhellte. Im übertragenen Sinne, weil sich auf einem Weihnachtsmarkt Menschen friedlich versammeln, um den Advent zu feiern, für einige unbeschwerte Stunden zusammen zu sein, zu essen und zu trinken. Eine gute Tradition in diesem Land.
Rücksichtslos und hasserfüllt
Der Magdeburger Weihnachtsmarkt mitten in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts wurde am Freitagabend aber schlagartig zu einem dunklen Ort. Durch den Anschlag von Taleb A., der rücksichtslos und offenbar hasserfüllt mit einem Pkw durch eine Budengasse raste, fünf Menschen tötete und mindestens 200 verletzte.
Fünf Menschen sind nun tot. Fünf Unschuldige, die überhaupt nichts falsch gemacht haben. Sie waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort: auf einem Weihnachtsmarkt in der Adventszeit. Es hätte jeden treffen können. Und deswegen erschüttert diese wahnsinnige Tat auch Menschen, selbst wenn sie den Anschlag nicht direkt erlebt haben. Es ist ein Attentat auf unsere Art zu leben. Es trifft nicht nur Magdeburg, sondern das ganze Land ins Herz. Wir sind alle Magdeburger.
Wie lassen sich solche Taten verhindern?
Es wird dauern, diese Tat zu verarbeiten. Man wird sich nicht unbeschwert am Heiligabend mit seinen Lieben unter dem Weihnachtsbaum versammeln können, ohne daran zu denken: Fünf Unschuldige, darunter ein neunjähriges Kind, werden nie wieder mit ihren Lieben das Weihnachtsfest feiern können.
Warum macht jemand so etwas? Weshalb konnte es nicht verhindert werden? Wie lassen sich solche Taten verhindern? Diese Fragen stellen sich nun zwingend. Darauf Antworten zu finden, dazu verpflichten uns die Opfer dieses Anschlages.
Es läuft gewaltig etwas schief in Deutschland
Und in die Trauer mischt sich Wut. Es kann nicht sein, dass man in diesem Land zur falschen Zeit am falschen Ort ist, nur weil man in der Adventszeit friedlich einen Weihnachtsmarkt besucht.
Es läuft gewaltig etwas schief in Deutschland, und das nicht erst seit diesem Freitagabend. Weihnachtsmärkte sind schon kein unbeschwertes Vergnügen mehr, seit der Islamist Anis Amri 2016 mit einem Sattelzug in den Berliner Weihnachtsmarkt fuhr und 13 Menschen tötete. Seitdem wurde die Sicherheit erhöht, werden die Märkte mit Betonblöcken oder Ketten abgesperrt. Und in diesem Jahr kontrollierte die Polizei sogar Taschen von Besuchern, um Messerattacken zu verhindern. Trotzdem konnte Taleb A. ungehindert auf den Weihnachtsmarkt gelangen. Das muss dringend aufgeklärt werden, die ersten Erklärungen reichen nicht aus.
Parteien müssen Antworten liefern
Taleb A. ist offenbar ein von Hass auf Saudi-Arabien, auf den Islam und auf Deutschland zerfressener Mann. Seine Aktivitäten im Internet belegen dies. Behörden wurden auf seine Radikalisierung hingewiesen, eine Gefährderansprache hat die Polizei aber nicht geschafft. Auch das muss dringend aufgeklärt werden. Taleb A. hat in Deutschland Asyl bekommen, ihm wurde hier Schutz gewährt und die Möglichkeit geboten, in Frieden, Freiheit und Wohlstand zu leben. Er hat dieses Recht aufs Schlimmste missbraucht. Wie kann man so etwas verhindern? Jetzt im Bundestagswahlkampf müssen die Parteien auch eine politische Antwort darauf geben.
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Politiker wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) mögen ihre Bekundungen der Trauer und Erschütterung ernst und ehrlich meinen. Den Worten der Trauer müssen aber auch Taten folgen. Die erste Aufgabe einer jeden Bundesregierung ist es, dafür zu sorgen, dass die Menschen in Deutschland frei und sicher leben können.