„Gehört ins Zuchthaus weggesperrt“ Wie Frauenhass im Netz den Wahlkampf im Land belastet
Magdeburg - In der Corona-Pandemie verlagert sich Sachsen-Anhalts Landtagswahlkampf in großen Teil ins Internet - doch dort berichten Politikerinnen von einer neuen Welle von Hasskommentaren, die den Wahlkampf zur Zumutung machen. „Ich habe jetzt die Reißleine gezogen und Anzeige erstattet“, sagte Linken-Spitzenkandidatin Eva von Angern der MZ am Freitag. „Es gruselt mich, was da aktuell passiert.“
Hass im Netz: Eva von Angern erstattet Anzeige
Anlass für die 44-Jährige ist ein Hasskommentar auf Facebook: „Genossin Angern, Sie gehören vom Volk abgeurteilt und für viele Jahre ins Zuchthaus weggesperrt“, schrieb ein Mann mit seinem Klarnamen unter einem Beitrag der Linkspartei. Ein anderer pöbelte zum 25-jährigen Parteijubiläum der Fraktionschefin und Dreifach-Mutter: „Noch nie gearbeitet, nur gevögelt? Wow, eine richtige Linke.“ Von Angern übergab eine ganze Sammlung von Beleidigungen nun der Polizei.
Schwierige Rechtslage
Das Problem: Hass im Netz ist oft nicht mit Strafrechtsparagrafen zu greifen, bleibt damit straffrei. „Ich befürchte, dass das alles nicht ausreichend ist“, sagte von Angern, selbst Anwältin. Der Effekt bei Betroffenen könne gleichwohl zermürbend sein: „Dieser Hass soll ja einschüchtern und beleidigen.“ Für sie sei der Gang zur Polizei Selbstverteidigung. „Ich rate allen Frauen, Hass im Netz zu dokumentieren und zu sammeln. Ich teste jetzt aus, was die Polizei in diesen Fällen machen kann.“ Anzeigen seien in jedem Fall zu empfehlen: „Schon allein, damit die Fälle in der Statistik landen.“
Auch Grünen-Spitzenkandidatin Cornelia Lüddemann bestätigte, dass sich der Hass im Netz aktuell vervielfache, vor allem auf Facebook. „Ich erlebe seit Wochen einen Zuwachs“, häufig sei der Hass betont frauenfeindlich. „Die Texte sind oft perfide formuliert - und wenn sie nicht strafbar sind, kann man damit schlecht zur Polizei gehen und einen Haken daran machen“, so Lüddemann.
Härteres Vorgehen gegen Hass im Netz gefordert
Die Konsequenz: ein gewisser Verdrängungseffekt aus dem Internetnetzwerk. „Ich bin da deutlich weniger aktiv als früher“, bekannte Lüddemann gegenüber der MZ - obwohl sie wisse, dass sie theoretisch sehr viele Menschen auf Facebook erreichen könne. Auch von Angern berichtet: „Ich habe mittlerweile eine Aversion, bei Facebook reinzugucken.“ Dass Frauenhass im Netz zu eben solchen Verdrängungseffekten führen kann, belegten zuletzt auch großangelegte Studien.
Geht es nach den Politikerinnen, gibt es in der Strafverfolgung der Hasskommentare Luft nach oben. „Wir fordern eine Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft“, sagte Lüddemann. Zudem müssten Hasskommentare in Deutschland als Offizialdelikt behandelt werden. Staatsanwaltschaften müssten damit von Amts wegen Ermittlungen einleiten - also immer, sobald sie Wind von entsprechenden Taten bekämen. (mz/Jan Schumann)