Bildungsminister im MZ-Interview Was Tullner zum Streit um die Testpflicht an Schulen sagt
Die Testpflicht an Schulen sorgt für Zoff: Vielen kommt sie nicht schnell genug, andere lehnen sie ab. Bildungsminister Tullner spricht darüber im Interview.
Magdeburg - Im Bildungsministerium unter Marco Tullner (CDU) stapeln sich die Protestbriefe: Dutzende Familien beschwerten sich über die geplante Corona-Testpflicht an Schulen, eine Familie klagte bereits erfolgreich. MZ-Redakteur Jan Schumann sprach mit Tullner über die Corona-Maßnahmen an Schulen.
Herr Tullner, ein Verwaltungsgericht hat die Testpflicht an Schulen vorläufig gestoppt. Ab Montag soll sie neu geregelt werden - bangen Sie nun auch um diese künftige Regelung?
Marco Tullner: Nein, mit der neuen Eindämmungsverordnung in Sachsen-Anhalt wird das funktionieren. Ich bange nicht. Auch wenn schon wieder einige Klageandrohungen im Raum stehen.
Ist dieser Gerichtsbeschluss trotzdem ein Sieg der Test-Gegner und Corona-Leugner?
Nein. Es ist ein Zeichen, dass der Rechtsstaat funktioniert. Und wir halten uns an das Urteil - in nur einer Stunde haben wir am Dienstag die Testpflicht ausgesetzt. Denn am Ende sage ich: Wenn wir schon keine allgemeine Akzeptanz bei dem Thema hinkriegen, möchte ich wenigstens eine saubere, juristische Grundlage haben. Die Debatte ist sehr aufgeheizt. Ich betone: Die Testpflicht ist für mich kein Selbstzweck - sondern ein Mittel, die Schulen in der Pandemie offen zu halten.
Sie werden aktuell geradezu bombardiert von Test-Gegnern, die Ihnen Körperverletzung vorwerfen. Haben Sie Bauchschmerzen, wenn genau diese Familien nun Kinder ohne Test in die Schule schicken?
Ich befürchte kein exponentielles Wachstum der Infektionen. Wir wissen aus dem Burgenlandkreis, dass die Fälle eher im Promillebereich liegen. Aber ich bin schon überrascht, wie sich die Kritik an den Tests verhärtet. Dabei kommen wir den Leuten entgegen: Wir sind das einzige Bundesland, das erlaubt, Tests zu Hause zu machen. Ich will ja niemanden mit Tests analysieren oder gängeln. Ich will offene Schulen. Und natürlich ist das eine Mehrbelastung für die Schulen - dort freut sich keiner über die Extra-Arbeit. Sobald wir die Tests nicht mehr brauchen, bin ich der Erste, der sie wieder abschafft.
Sind die Test-Gegner nur eine laute Minderheit oder mehr?
Natürlich kann man vermuten, dass das alles aus einer gewissen Szene kommt. Ich will das aber auch gar nicht kleinreden: Natürlich macht man sich Sorgen um die Kinder. Ich weiß aber nicht, ob die Fundamentalkritiker diese harmlosen Tests schon mal gemacht haben. Mir scheint, der allgemeine Frust über die Corona-Politik sucht sich hier ein Ventil, und zwar mit dem Vorwurf: Der Staat wird übergriffig!
Es gibt auch die entgegengesetzte Kritik: Die Tests kommen nicht schnell genug. Auch diese Woche gab es Engpässe, trotz geplanter Pflicht. Wann bessert sich das?
Ich bestelle die Tests ja nicht, sie werden zentral über das Gesundheitsministerium eingekauft. Wir sind abhängig von Lieferungen aus der ganzen Welt, die ich nicht beeinflussen kann. Wir können nur zur Kenntnis nehmen, wenn es Probleme mit Flugzeugen oder beim Zoll gibt. Die Termintreue ist optimierbar. Das wissen wir. Und drängen jeden Tag auf Besserung.
Das heißt: Sie können weiter nicht garantieren, dass jede Woche genug Tests kommen?
Wir rufen täglich im Gesundheitsministerium an. Die nächste Lieferung soll am Freitag kommen. Noch vertraue ich darauf. Vielleicht muss sich alles erst noch zurechtruckeln - wie beim Impfen. Im Sinne der Schulen werbe ich bei Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne für Verlässlichkeit bei den Lieferungen. Sonst funktioniert die Testpflicht nicht.
Müsste die Testpflicht nicht konsequenterweise ausgesetzt werden, wenn nicht genug Lieferungen kommen?
Darüber haben wir nachgedacht. Momentan habe ich das weggeschoben, weil der Bund die Pflicht nun ins Gesetz schreibt. Dann kann ich das auch nicht mehr aussetzen, dann muss das klappen.
Das würde im Extremfall bedeuten: Familien testen privat auf eigene Kosten - oder die Kinder lernen zu Hause.
Das gilt es in jedem Fall zu verhindern. Ich vertraue darauf, dass wir genug Tests haben werden.
Wie viele Familien verweigern tatsächlich die Tests und entscheiden sich für Heimlernen?
Genaue Zahlen gibt es noch nicht. Erfahrungen aus Sachsen und dem Burgenlandkreis zeigen aber, dass die Kinder lieber in die Schule gehen. Nur etwa zwei Prozent bleiben aktuell zu Hause. (mz/Jan Schumann)