Dürre, Stürme, Schädlinge Waldsterben in Sachsen-Anhalt: Experten fordern schärferen Klimaschutz
Magdeburg/MZ - Durch jahrelange Trockenheit, Stürme und Schädlinge sind Sachsen-Anhalts Wälder in einem kritischen Zustand. Nun zeichnen Wissenschaftler ein düsteres Bild für die Zukunft: Ohne spürbar mehr Niederschläge in den kommenden Jahren und einer gleichzeitigen Bekämpfung des Klimawandels mit weniger CO2-Emissionen sei eine Erholung für Sachsen-Anhalts Wälder nicht mehr möglich.
So lautet die Bilanz des neuen Waldzustandsberichts, der im Auftrag des Landesforstministeriums erarbeitet und am Montag vorgestellt wurde. Die Warnung: Bei einem ungebremstem Klimawandel würden aktuelle „Schäden bleiben beziehungsweise zunehmen“, so die Wissenschaftlerin Ulrike Talkner.
Ihre Bilanz ist verheerend: Von 2018 bis zum September 2021 verwandelten sich rund 30.000 Hektar Wald im Bundesland zu Kahlfläche, das entspricht etwa dem doppelten Stadtgebiet von Halle. Allein im laufenden Jahr seien 5.500 Hektar abgestorben. In erster Linie leiden Sachsen-Anhalts Bäume unter anhaltender Hitze und Trockenheit.
Dürre hält jahrelang an
Zwar pegelten sich die Niederschlagswerte nach den Dürrejahren 2018, 2019 und 2020 wieder auf Normalmaß ein - trotzdem gilt die Trockenheit nur im Südosten als beendet. In der Landesmitte und im Norden haben sich die Bodenwasservorräte dagegen noch nicht erholt, so der Bericht. Die Dürre macht Bäume anfälliger für Schädlinge wie Borkenkäfer und Sturmereignisse.
Die Forschungsgruppe um Talkner zieht ein bitteres Fazit: „Die beobachteten Schäden und erhöhten Absterbe-Raten der letzten Jahre haben ein in der Geschichte der forstlichen Umweltmonitorings einmaliges Ausmaß angenommen“, so die Wissenschaftlerin. „Selbst in Zeiten des sauren Regens waren die Schäden nicht so groß.“
Das bisherige Hoch der Absterbe-Raten hatten die Forscher 2019 registriert, damals gingen 4,2 Prozent der beobachteten Bäume ein. Im neuen Bericht liegt der Wert bei 1,6 Prozent - immer noch weit über dem langjährigen Mittelwert von 0,6. Besonders große Schäden meldet der Bericht für Fichtenwälder, etwa im Harz. Betroffen sind aber auch Baumarten wie Kiefern, Buchen und Eichen, die bisher als deutlich resistenter galten.
Expertin fordert weniger Belastung durch Landwirtschaft
Angesichts der kritischen Lage betonte Forstexpertin Talkner: Um den Klimawandel einzudämmen, seien „weitreichendere Maßnahmen notwendig, als es die Möglichkeiten der Forstwirtschaft hergeben“. Sie plädierte unter anderem für eine Reduzierung der Stickstoff-Bodenbelastung durch die Landwirtschaft.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU), auch zuständig für Forst- und Agrarpolitik, nannte den Zustand der Wälder „ernst“. Die Wiederaufforstung sei eine „Riesenaufgabe“, nicht zuletzt aber auch aus touristischer Sicht notwendig, erklärte der gebürtige Harzer. Bei Neupflanzungen will das Land auf Mischwälder statt Monokulturen setzen, um die Widerstandsfähigkeit der Wälder zu erhöhen.
Schulze betonte aber zugleich: Ein Land wie Sachsen-Anhalt könne „nur indirekt“ Einfluss auf den Klimawandel nehmen. Um CO2-Emissionen bundesweit zu reduzieren, führen SPD, Grüne und FDP in Berlin aktuell Koalitionsgespräche darüber, ob ein Kohlestrom-Stopp bereits im Jahr 2030 erfolgen kann. Schulze hält das für unrealistisch, warnt vor Stromengpässen.
Der Minister bestritt zudem, dass die Stickstoffbelastung durch die Agrarwirtschaft ein flächendeckendes Problem sei. „Der Landwirt macht nur das, was er für vertretbar hält“, so Schulze. Probleme gebe es maximal in „Einzelfällen“, so der Landwirtschaftsminister.