Anschlag in Magdeburg Tödliche Lücke am Markt: Strafanzeige gegen Polizei
Beim Anschlag in Magdeburg hat es wahrscheinlich Sicherheitsmängel gegeben. Ein Einsatzfahrzeug steht nicht wie vorgesehen in einer Straßeneinfahrt.
Magdeburg/MZ/DPA. - Blumen, Kerzen, Kuscheltiere: Nach der Attacke auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt mit fünf Toten und bis zu 235 Verletzten nehmen Trauer und Anteilnahme in der Landeshauptstadt kein Ende. Der zentrale Gedenkort an der Johanniskirche war auch an den Feiertagen von Menschen umringt. Das Blumen- und Kerzenmeer wuchs weiter, viele Trauernde hatten Tränen in den Augen.
„Ich konnte erst nicht herkommen, weil es mich zu sehr schockiert hat“, sagte eine Rentnerin. „Aber heute wollte ich hier sein. Es ist ja Weihnachten.“ Eine Gruppe Jugendlicher war aus dem Salzlandkreis nach Magdeburg gefahren, um einen Rosenstrauß mit schwarzer Schleife an den Gedenkort zu bringen. „Wir haben alle dafür zusammengelegt. Das muss man machen“, sagt einer.
Ermittelt die Polizei in Halle zu möglichen Einsatzfehlern in Magdeburg?
Am zweiten Weihnachtsfeiertag versammelten sich mehrere hundert Menschen im Opernhaus für ein Gedenken. „Dieses Attentat hat eine große Wunde in unsere Stadt gerissen. Eine Wunde, die blutet“, sagte Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos), kurz vor Beginn des Konzerts. Es liege nun an den Magdeburgern, diese Blutung zu stoppen. Die große Wunde werde jedoch eine Narbe hinterlassen, die die Stadt verändern werde. „Wir müssen versuchen, gemeinsam in der Trauer zueinanderzustehen und dann nach vorn zu schauen“, betonte Borris. Anschließend erhoben sich die Gäste zu einer Schweigeminute.
Doch neben der Trauer wird auch die Frage immer lauter gestellt, welche Versäumnisse es möglicherweise bei dem Sicherheitskonzept gab? Unter anderem geht es um ein Polizeifahrzeug, das sich nicht an einem vorgesehenen Standort befunden hat, um die Einfahrt zu schützen. Das Innenministerium bestätigt damit einen MZ-Bericht.
„Zum Zeitpunkt des Anschlags waren Polizeifahrzeuge an den vier festgelegten Standorten um den Magdeburger Weihnachtsmarkt postiert. Nach dem jetzigen Stand der Aufarbeitung befand sich ein Polizeifahrzeug in der Parkbucht für Taxen in der Ernst-Reuter-Allee und damit nicht an dem nach der polizeilichen Einsatzkonzeption vorgesehenen Standort. Warum dies so war, ist Gegenstand der weiteren Aufarbeitung“, teilte das Ministerium mit.
Aufgearbeitet würden auch Fragen zum Sicherheitskonzept des Veranstalters des Weihnachtsmarkts. Es gehe darum, was das Konzept zum Schutz des Marktes und damit auch zur technischen Absicherung von Flucht- und Rettungswegen vorgesehen habe. „Es wird aufgearbeitet, ob diese Maßnahmen vom Veranstalter umgesetzt worden sind und wenn nicht, warum nicht.“
Inzwischen liegt laut Ministerium der Staatsanwaltschaft bereits eine Strafanzeige gegen die Stadt Magdeburg und die Polizeiinspektion Magdeburg vor. „Damit könnten das Sicherheitskonzept des Veranstalters des Weihnachtsmarkts und die polizeiliche Einsatzkonzeption sowie deren jeweilige Umsetzung auch Gegenstand von strafrechtlichen Ermittlungen werden“, heißt es. In diesem Fall würde gegebenenfalls die Polizeiinspektion Halle (Saale) die Ermittlungen übernehmen.
Testament des Täters im BMW gefunden
Die Stadt verarbeitet weiterhin die Folgen des Anschlags, bei dem der Täter Taleb A., ein Arzt aus Saudi-Arabien, mit einem Auto gezielt über den Weihnachtsmarkt gerast war. Von den 72 Verletzten, die in der Magdeburger Universitätsklinik behandelt wurden, sind laut Klinikdirektor inzwischen alle außer Lebensgefahr. Viele erlitten schwere Knochenbrüche und innere Blutungen.
Der Täter Taleb A. wurde festgenommen. Laut einem Bericht des „Spiegels“ hat die Polizei ein Testament in dem BMW gefunden. Darin heißt es, dass er sein gesamtes Vermögen nach seinem Tod an das Deutsche Rote Kreuz spenden wolle. Politische Botschaften befinden sich laut Medienberichten nicht im Testament. Zudem habe er den BMW bereits am 11. Dezember angemietet. Mehr als eine Woche vor der Tat. Am 12. Dezember gab er laut dem Bericht im Magdeburger Maritim-Hotel ein Videointerview für einen islamfeindlichen US-Blog. Es verdichten sich Hinweise, dass Taleb A., der in Bernburg (Salzlandkreis) als Psychiater arbeitete, selbst psychische Probleme hatte.